Grenn Thai-Chicken-Curry ist kein rotes Curry, das über Tage im Freien gelagert wurde, erfährt der glu, sondern wird mit anderen Chili-Schoten zubereitet.

Foto: Guido Glutschitsch/Gabriele Fischer

Die Frage, woher die Kellnerinnen wissen, wie nah sie die Tische ans Meer stellen können, beantwortet sich nach dem Chefsalat. Und dieser Salat schmeckt direkt am Wasser natürlich viel besser. Es ist ungewohnt, dass der Korbsessel, in dem man sitzt, zu zwei Drittel im weißen Sand einsinkt und dann in einer Position verharrt, die mindestens so schräg ist, wie der Strand zum Meer hin abfällt. Aber da nicht nur der eigene Sessel schief ist, sondern auch der Tisch, meint man fast, man sei selbst ein wenig schräg. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem man bemerkt, dass das Dressing des Chefsalats auch meint, schief zu sein, und vom Teller rinnt. Oder das Salz im Dressing sehnt sich nach dem Meer.


Der Chefsalat in der Oops Bar: und der glu schenkte der Reißerischen einen Zwiebelring, worauf die vor Freude gleich zu weinen anfing.

Der Chefsalat wird in jedem Strandlokal am Alona Beach anders zubereitet. Einmal ist es ein Krautsalat mit Thousand-Island-Dressing, einmal ist es ein Karotten-Kraut-Salat mit Käse, Schinken, Ei und Cocktail-Sauce. In der Oops-Bar ist der Chefsalat eine riesige gemischte Salatplatte. Ein Tellerabschnitt zieht mich in seinen Bann, wie sonst nur das Licht die Motte. Zwischen Tomaten und Karotten gibt es gebratene Champignons mit Speck. Ich verzichte auf Dressing und schütte stattdessen Kräuter und so viel Chili-Sauce über den Salat, dass die Gurken sich anfühlen, als wären sie kurz vorm Kochen. Dazu gibt es eine Flasche Bier vom heiligen Miguel. Glas zum Bier gibt es keines. Dafür ist der Flaschenhals mit einer kleinen Papierserviette umwickelt und so verschlossen. Vermutlich, um zu garantieren, dass kein Ungeziefer ins Bier findet, am Weg vom Kühlschrank zum Tisch.


Frische Säfte schmecken viel besser als das wassrige Bier, sagt die Reißerische.

Das kann nämlich schon einmal 20 Minuten dauern, bis so ein frisch bestelltes Bier auch kommt. Wie überhaupt das Service auf dem philippinischen Touristen-Strand etwas eigen ist. So weicht das Servicepersonal vom Zeitpunkt des Speisekarte auf den Tisch Knallens, bis zu jenem, an dem ich meine ganze Bestellung brav aufgesagt habe, nicht von meiner Seite. Wer einen Verfolgungswahn hat, oder es hasst, wenn man ihm in der U-Bahn über die Schulter in den Standard linst, stelle sich vorher medikamentös ruhig. Nach meiner Bestellung wiederholt die Kellnerin penibelst was ich geordert habe, inklusive der Reihenfolge, in der was serviert werden soll. Da es auf den Philippinen aber nicht wichtig ist, in welcher Reihenfolge etwas serviert wird, geschweige denn mit welcher Temperatur, ist es ein Wunder der Entropie, wenn die Bestellung mit der Lieferung übereinstimmt.

Wer nun meint, er könne sich eine warme Speise sichern, indem er eine der begehrten Sizziling-Plates bestellt, irrt. Der Glutamatbrei wird dann zwar in eine vermutlich 500° Zellsinüsse heiße Eisenschale geschüttet, woraufhin das Essen laut zu bruzeln anfängt, aber es ist mir nicht einmal passiert, dass die Kellnerin den Serviervorgang kurz nach der Bar abgebrochen hat. Die rauchende Platte wird zum Abkühlen einfach irgendwo stehen gelassen und später serviert, wenn sie weniger raucht und man sich nimmer beim Auftragen verbrennen kann.


Red Thai-Chicken-Curry ist auf den Philippinen das Wiener Schnitzel des glu.

Dass ich mir beim ersten Bissen doch die Lippen verbrenne, wundert niemanden, der mich kennt. Dank Murphy sauge ich nach meiner Sizziling-Plate wie ein Lippfisch an der Bierflasche oder den Strohhalmen, die in den frisch gepressten Säften stecken. Und man tut gut daran, auf den Philippinen, einen frisch gepressten Saft zu bestellen. Sonst bekommt man nämlich gar Grausames. Filipinos servieren mit Leidenschaft in Wasser aufgelöstes Mangosaft-, Ananassaft- oder Orangensaft-Pulver. Bier rühren Filipinos nicht auf diese Weise an, und auch Fisch kommt nicht prinzipiell quadratisch und paniert auf den Teller.

Die Filipinas zeigen gerne was sie haben. Im Scheinwerferlicht präsentieren sie die prall gefüllten Fischvitrinen. Dabei wedeln sie mit Stecken, an deren Spitze bunte Fransen angebracht sind, über die Schätze des Meeres, um einerseits die Fliegen zu verscheuchen, aber vermutlich auch, um die Touristen anzulocken. Und von einem der Wedel geködert, meinen Blick eh schon auf einen Red Snapper gerichtet, frage ich sicherheitshalber, was mir die junge Dame denn empfehle.


Fisch ist günstig, frisch und wird in jedem Lokal gegrillt. Oder verbrannt. Je nach Koch.

"Nimmste diesen Barsch hier, und lasst ihn schön dünsten. Das schmeckt dann ein wenich wie Forelle. Dazu nimmst 'ne Apfelsinen-Schorle für deine Alde und du...", mein Lieblingsnachbar daheim, ist auch mein Lieblingsnachbar im Tauchressort - hier hat er mit Thorsten sogar einen Namen - und jetzt hilft er auch noch bei der Fischwahl.

Ich bedanke mich freundlich und lächelnd für den weisen und überaus charmanten Ratschlag, in dem ich an die Servierkraft die Worte richte, denen zu entnehmen ist, dass ich den Snapper gegrillt will. Mein Lieblingsnachbar nimmt mir das nicht weiter übel und wird die nächste Gelegenheit, mich mit seinem Charme und Weitblick durch den Urlaub zu begleiten, nicht vorbeiziehen lassen.


Chili- und Glutamat-Truhe, Petroleum-Luster, Peinapfel-Saft, Bierstoppel und frisches philippinisches Quellwasser (v.l.n.r.).

Je nach Tag, Lokal oder Koch bekommt man bei der gleichen Fisch-Bestellung jedes Mal etwas anderes. Einmal ist der Fisch durch und durch köstlich, das andere Mal ist er weder durch noch köstlich, außer man versteht es, sich von den verbrannten Stellen fern zu halten. Steter und guter Qualität erfreut sich aber immer ein Teller Reis mit Glutamatbeilage.

Red-Thai-Chicken-Curry, welches auch in grün kredenzt wird, ist immer ein Gewinn, genauso das Gemüse-Curry. Der Farbunterschied in der Curry-Bestellung entscheidet über die Farbe der Chilischoten, die zu Hauf verarbeitet werden. Wer mag, kann ja noch mit der stets bereitgestellten Chili-Sauce nachwürzen, die mir fast aus der Hand fällt, als beim Schärfen des Chefsalats, mir die erste Welle meine Knöchel küsst. Sie haben also keine Ahnung, wie weit sie die Tische ans Meer stellen können.


Die Reißerische ist eine Scharfe und leert pro Abendessen eine halbe Flasche Chiligatsch über die Asiaten-Kartoffel.

Wer romantisch ist, freut sich über den Kuss des Meeres. Wer sich nicht gerne küssen lässt, wählt besser einen Tisch, der ganz schön am Sand ist. (Text: Guido Gluschitsch; Fotos: Gabriele Fischer, Guido Gluschitsch)