Wien - Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag, Grund zur Freude bietet der heute vorgestellte Rassismus-Report 2007 der Anti-Rassismus-Initiative Zara kaum. 831 rassistische Vorkommnisse sind dem Verein im Vorjahr gemeldet worden, was einen deutlichen Rückgang gegenüber 2006 mit 1.504 Fällen bedeutet. Grund für die geringere Anzahl sieht Zara-Obmann Dieter Schindlauer im Schwund jener Meldungen, die rassistische Beschmierungen betreffen.

 

Dieser Rückgang ließe nicht den Schluss zu, dass rassistischen Schmierereien tatsächlichen abgenommen hätten, sondern weise eher darauf hin, dass Sensibilisierungskampagnen im Jahr 2006 offenbar erfolgreich gewesen seien. Im Zusammenhang mit Aktionen wie "Rassismus streichen" oder der "Beschmierungsambulanz" seien mehr Menschen auf die Problematik rassistischer Beschmierungen aufmerksam geworden, dieser Sensibilisierungs-Effekt scheine nun wieder abgeflaut zu sein.

Mehr Angriffe auf afro-österreichische Kinder

Was in der achten Auflage des Jahresberichts vor allem ins Auge springe, sei eine Zunahme der Meldung von Angriffen auf afro-österreichische Kinder, meint Zara-Geschäftsführerin Barbara Liegl bei der Präsentation des Reports.

Der Bericht schilder dazu folgendes Ereignis:

 

  • Frau O., verheiratet mit einem Mann afrikanischer Herkunft, besucht mit ihren beiden Kindern einen Spielplatz im Wiener Donaupark. Die Zwillinge spielen auf Wippen in Form eines Gorillas und eines Tigers. Ein älteres Ehepaar mit seiner erwachsenen Tochter spaziert vorbei, letztere deutet auf die Kinder und meint: "Schau, der klane N... Da passt er hin, da sitzt er richtig!" Frau O. weist darauf hin, dass sich die Betreffende in der Wortwahl vergriffen hätte, es entwickelt sich ein Streit. Schließlich müssen Gattin und Tochter den älteren Mann davon abhalten, Frau O. gegenüber handgreiflich zu werden. Völlig in Rage schreit er mehrmals in Frau O.s Richtung: "Schaut's des is a N...- Fotz'n! Schaut‘s...!"
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    Für Wolfgang Zimmer, Leiter der Zara-Beratungsstelle, sind derartige Fälle neu. Das Schlimme daran sei, dass in einigen Fällen der Schritt von der verbalen Aggression zur tatsächlichen Gewalttat nicht mehr weit gewesen sei.

    Kaum Zivilcourage

    "Eines der erschreckendsten Ergebnisse" des Reports sieht Zimmer darin, dass auf Gewalt und rassistische Übergriffe im öffentlichen Raum kaum mit Zivilcourage geantwortet werde. Nur selten würden ZeugInnen bei entsprechenden Situationen eingreifen, den Betroffenen helfen oder sich gegen die Angreifer wenden.

    Im Report finden sich dazu unter anderem diese beiden Beispiele:

     

  • Frau R., Journalistin und Afro-Österreicherin, wird in einer voll besetzten Wiener Straßenbahn von einem jungen Mann wegen ihres Aussehens zuerst beschimpft, dann bespuckt und sogar körperlich attackiert. Der Täter versetzt ihr Faustschläge ins Gesicht, weder Fahrgäste noch der Fahrer des Zuges reagieren. Frau R. muss dem flüchtenden Täter unter Schmerzen nachlaufen und ruft selbst die Polizei, bei deren Eintreffen der Täter schon verschwunden ist. Trotz genauer Zeit- und Ortsangaben konnte die Beschwerdestelle des Nahverkehrsunternehmens den betreffenden Fahrer nicht ausforschen. Die Frau erhält lediglich die Auskunft, dass dieser Fahrer nichts von dem Übergriff gegen sie bemerkt habe.
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  • Herr K. aus dem Irak wird an einem Tag im Oktober am Wiener Matzleinsdorfer Platz von zwei Männern rassistisch beschimpft. Als er sich entfernen will, wird er von ihnen geschlagen und fällt zu Boden. In der Folge wird er mehrere Minuten lang mit Fußtritten malträtiert. Dann trifft die Polizei ein, die offenbar von einem Passanten gerufen worden ist, stellt die Identität der beiden Männer fest und ruft einen Rettungswagen. Zara weist darauf hin, dass auch hier keiner der anwesenden Passanten eingeschritten sei.
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    FPÖ und BZÖ

    Unter dem Kapitel "Politik und Medien" finden sich auch zwei Parteien: Vertreten unter anderem durch die Grazer Politikerin Susanne Winter und den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider dokumentierte Zara folgende rassistische Äußerungen aus der FPÖ und dem BZÖ:

     

  • Bereits vor ihrer Aussage, der Prophet Mohammed sei ein Kinderschänder gewesen, fiel Winter durch Aussagen in einem Interview auf: "Es gibt in muslimischen Ländern Tierbordelle, und wir bringen den Beweis." Zuvor hatte ihr Sohn im Magazin des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) namens "Tangente" gefordert, durch "Einrichten" einer Schafherde im Grazer Stadtpark eine "Sofortmaßnahme gegen muslimisch-türkische Vergewaltigungen" zu schaffen.
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  • Auch die Debatte über das Verbot von Minaretten und Kopftüchern in Kärnten wurde dokumentiert. Zara zitiert eine Interview-Aussage des Landeshauptmannes Jörg Haider (BZÖ): "Ich möchte keine verschleierten Frauen auf unseren Straßen sehen." Zara kündigt an, die Entwicklung beim Moscheen-Bauverbot weiter zu verfolgen.
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    Zara selbst Zielscheibe

    Aber auch die Anti-Rassismus-Initiative selbst werde zur Zielscheibe rassistischer Angriffe, erklärt Zimmer. So würde beispielsweise eine Dame nahezu täglich bei der Beratungsstelle anrufen, um sie mit Schimpftiraden einzudecken: "Ihr gehört ja genau so angespuckt wie diese Parasiten."

    Positiv: Volksanwaltschaft stellt Missstände fest

    Eine positive Nachricht kann Zara allerdings auch vermelden: So habe man die Volksanwaltschaft beauftragt, zu überprüfen, was mit Anzeigen etwa gegen diskriminierende Stellenausschreibungen geschehe. Dabei sei "toll recherchiert" worden. Das Ergebnis: Eine Missstandsfeststellung durch die Volksanwaltschaft, da etliche Verfahren oft mit nicht nachvollziehbaren Argumenten eingestellt würden. Hier will man eventuell noch in diesem Jahr erneut überprüfen lassen, ob sich die Situation geändert habe.

    Wie immer machten die AutorInnen des Rassismus-Reports darauf aufmerksam, dass der Report keinerlei Aussagen darüber tätigen könne, ob Rassismus in Österreich zu- oder abgenommen habe. Liegl: "Viele rassistische Vorfälle bleiben uns vollkommen verborgen." Für ein "ernsthaftes Monitoring" würde man ein ganzes Netzwerk von staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen brauchen. Deswegen gelte, dass die Fälle nur einen Teil der Realität in Österreich widerspiegeln würden.

    Ein Vorteil, der sich durch die Struktur von Zara ergebe, sei, dass man wesentlich breiter dokumentieren könne, so Liegl. Sie spricht von Fällen, die gesetzlich nicht eingestuft seien. Die Zara-Verantwortlichen wünschen sich von den politischen Entscheidungsträgern, den alljährlichen Report als Ideengeber in der Rassismusbekämpfung zu nutzen und die Notwendigkeit neuer Gesetze zu prüfen.

    Kein Feigenblatt

    Schindlauer gab zu, dass die Rolle seiner Organisation durchaus problematisch sei. Man wolle keine Feigenblattfunktion erfüllen und "Buchhalter des Rassismus" sein - in der Art: "Zara kümmert sich eh darum." Durch das Aufzeigen von Einzelfällen wolle man aber nach wie vor ein Abnehmen des Rassismus in Österreich bewirken. Schindlauer gab allerdings zu: "Wir haben das Gefühl, dass wir in den letzten Jahren nicht wahnsinnig erfolgreich waren." (APA/red)