Der Kurswechsel der Regierung in der Budgetpolitik stößt bei Wirtschaftsforschern auf Staunen und Unverständnis.

montage: derstandard.at

Das Budgetprogramm der neuen Regierung unterscheidet sich nicht in Nuancen, sondern so grundsätzlich und massiv von den Vorstellungen der "alten" schwarz-blauen Koalition, wie dies vor wenigen Tagen noch niemand für möglich gehalten hätte.

Dabei ist die Abkehr vom Nulldefizit - einem Herzstück des Kabinetts Schüssel I - nur der halbe Weg. Selbst in Jahren mit vergleichsweise hohem Wirtschaftswachstum sollen nun Steuersenkungen mit neuen Schulden finanziert werden. Für 2005 und 2006 erwartet die Regierung ein Wachstum von jeweils 2,5 Prozent - und dennoch werden in diesen Jahren neue Schulden von 1,5 und 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anfallen, geht aus dem aktuellen Regierungsprogramm hervor.

Dabei scheiterte das Kabinett Schüssel I an der Forderung von Teilen der FPÖ, bereits 2003 eine Steuerreform anzusetzen. Die Antwort damals: Steuersenkungen auf Kredit kommen nicht mehr infrage, man müsse sich eine Steuerreform durch zuvor geleistete Einsparungen finanzieren.

"Unverständnis"

Bei Wirtschaftsforschern stoßen die neuen Pläne auf Unverständnis: So wäre das "Nulldefizit" um jeden Preis trotz herannahender Rezessionsgefahr in den Jahren 2001/2002 als oberstes Ziel genannt worden. "Das war quasi Staatsdoktrin." Und nun, da wieder fettere Jahre prognostiziert würden, nehme man auch wieder Defizite in Kauf. "Das ist eine reinrassige prozyklische Wirtschaftspolitik." Nur damit lasse sich in keinem Fall ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus erreichen. "Wenn schon in guten Jahren ein Minus gemacht wird, dann kann es in darauf folgenden schwächeren Jahren doch kaum ein Plus geben", meint ein prominenter österreichischer Wirtschaftsforscher.

Offizielle und zitable Kritik gibt es aber nicht: "Das ist derzeit nicht so erwünscht und kann existenzgefährdend sein", meint der Experte.

Kritik

Von der Regierung unabhängige Experten nehmen sich hingegen kein Blatt vor den Mund: Es stelle sich die Frage, warum die neue schwarz-blaue Regierung für 2004 nur eine halbe Milliarde Euro Entlastung plane und die restlichen 2,5 Milliarden erst für 2005, kritisiert BA-CA-Chefökonomin Marianne Kager im Gespräch mit der APA die zeitliche Gewichtung der geplanten Steuerreform.

Für Kager wäre aus konjunkturbelebenden Gründen nämlich bereits für 2004 eine wesentliche Entlastung notwendig und nicht erst 2005. "Alle Ökonomen gehen davon aus, dass 2003 und 2004 konjunkturell schwierige Jahre werden, und erwarten für 2005 bereit ein kräftiges Wachstum", begründet Kager.

Mineralölsteuer belastet

Auch in Sachen Erhöhung der Mineralölsteuer kritisiert Kager den Zeitpunkt und befürchtet negative Auswirkungen auf die Inflationsentwicklung. Eine Steuererhöhung am Höhepunkt der Ölpreisentwicklung, bei schon hohen Einstandspreisen, würde sich belastend auf die Wirtschaft auswirken, so Kager.

Es sei zwar im Sinne der Ökologisierung ein Lenkungseffekt gegeben, neue Investitionen zur effizienteren Energienutzung der Unternehmen benötigten aber Zeit. (Michael Moravec, DER STANDARD, Printausgabe 4.3.2003)