Es ist noch nicht so lange her, da berauschte sich die CDU an folgendem Szenario: Eigentlich könne man die Bundestagswahl 2009 ja glatt ausfallen lassen. Bei den katastrophalen Umfragewerten der SPD und der hellen Sonne über Angela Merkel wäre es doch auch möglich, Merkel gleich per Akklamation ins Kanzleramt zu wählen. Köstlich, diese Vorstellung. Unser Sieg ist ohnehin programmiert, lautete die Botschaft.

Doch eine globale Banken- und Wirtschaftskrise, eine Lehman-Pleite und unzählige Talfahrten der Aktienmärkte später, ist der CDU das Lachen vergangen. Und es sind nicht nur die täglichen Hiobsbotschaften aus dem Wirtschaftsbereich, die ihr die Laune vergällen. Für einen Teil der schlechten Stimmung ist Merkel verantwortlich.

Als "Miss World" wurde sie vor zwei Jahren noch gefeiert, als sie von Gipfel zu Gipfel (EU, G8) eilte, als mächtigste Frau der Welt galt sie. Aber damals waren auch die Wirtschaftsdaten in Deutschland noch gut, und wer gnädig war, sah darüber hinweg, dass die große Koalition nicht alle Reformen so hinbekam, wie sie es sich vorgenommen hatte. Doch nun, da Deutschland in die Rezession geschlittert ist, erkennen die Deutschen mit Schaudern: Merkel taugt nicht wirklich zur Krisenkanzlerin. Ausgerechnet in der härtesten Phase ihrer Regierungszeit wirkt sie zögerlich und zaudernd.

Die ruhige Hand, die sie einst als Oppositionschefin bei ihrem Vorgänger Gerhard Schröder gegeißelt hat, ist nun zum Maßstab ihres eigenen Handelns geworden. Natürlich sind die Deutschen nicht so einfältig, zu glauben, eine Merkel-Show im Kanzleramt brächte Deutschland flugs aus der Krise, doch der Vergleich mit anderen Ländern macht sie doch unsicher. Es herrscht ein diffuses Gefühl in Deutschland: Anderswo wird mehr gegen die Krise getan.

Zwar schnürte Merkel mit ihrem getreuen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hurtig ein 500-Milliarden-Paket zur Rettung der Banken, aber die Institute wurden nicht genötigt, dieses auch anzunehmen. Daher verhalten sich die Banken wie höfliche Partygäste, wenn nur noch ein Häppchen auf dem Teller liegt: Kaum einer getraut sich zuzugreifen.

Das Konjunkturpaket, das Merkel zusätzlich auflegte, trägt auch nicht zur Steigerung des Wohlbefindens bei. "Gut gemeint" ist noch die höflichste Umschreibung für den wilden Mix aus vielen einzelnen Maßnahmen. Das alles und die Milliardenstaatsbürgschaft, die Opel in Aussicht gestellt wurde, wäre für viele ja noch zu ertragen, wenn sie das Gefühl hätten: Auch für den Bürger ist in schlechten Zeiten noch ein Notgroschen übrig.

Doch da endet Merkels Spendierfreudigkeit. Ein Vorziehen der Steuerreform lehnt sie ab - auch wenn dies von Teilen der Union immer lauter gefordert wird. Haushaltsdisziplin geht vor. Im Jänner will Merkel entscheiden, ob sie grünes Licht für weitere Maßnahmen gibt. Sie selbst betrachtet dies als unaufgeregtes, rationales Krisenmanagement. Bei vielen Deutschen aber ist der Eindruck entstanden, die Kanzlerin wisse selbst nicht so genau, was sie denn nun eigentlich will. Statt "Miss World" regiert nun die schwäbische Hausfrau, die einfache Weisheiten zum Besten gibt.

Schmal ist der Grat zwischen Miss Erfolg und Misserfolg, zumal von Merkels beherzten Reformvorhaben nicht viel übrig geblieben ist. Mit Argusaugen verfolgt der Wirtschaftsflügel den Drang Merkels zur politischen Mitte hin. Weiter links, so die Befürchtung vieler, ist der Platz aber ohnehin schon viel zu knapp. Dort hockt nicht nur die SPD, sondern auch die Linkspartei. Noch ist ungewiss, wie Merkel in dieser Krise weiterregieren will. Eines aber ist jetzt schon ziemlich klar: Den Sieg bei der Bundestagswahl im September 2009 hat Merkel längst noch nicht in der Tasche. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2008)