Wunder gebe es nur alle 30 Jahre, war Otto Rehhagels, des großen deutschen Fußballlehrers, Rechtfertigung dafür, dass seine griechischen Teamfußballer im Juni bei der EURO ihren wunderbarerweise 2004 in Portugal errungenen Titel nicht verteidigen konnten.

So gesehen hat Ski-Heros Hermann Maier, der am Sonntag im Super-G zu Lake Louise, Kanada, seinen 54. Weltcup-Erfolg gefeiert hat, noch lange Zeit für sein zweites Wunder. Denn wenn sich im bisherigen Leben des bald 36-jährigen Salzburgers jemals tatsächlich schon Wundersames zugetragen hat, dann am 27. Jänner 2003, als er 17 Monate nach einem Motorradunfall, der ihn beinahe das Leben gekostet und zum Teilinvaliden gemacht hat, den Super-G in Kitzbühel gewann.

Freilich war und ist nach Maiers Taten das Wort Wunder schnell einmal dahergesagt, hinausgeschrieen und hingeschrieben. Begonnen hat das schon 1998 mit seinen beiden Olympiasiegen in Nagano, denen der wohl schaurig-schönste Sturz der Skigeschichte unmittelbar vorausgegangen war. Und auch am Sonntag triumphierte Maier quasi gegen jede Chance. Noch zehn Tage davor habe man ihn wegen einer Rückenverletzung „ins Auto heben müssen".
Gesagt hat er aber auch, dass er im Sommer so gut trainiert hat und körperlich so gut beisammen war wie schon lange nicht. Bloß, da wurde ihm nicht so gut zugehört. Das Wunder war also eine Frage des Trainings, wie man in Anlehnung an den deutschen Schriftsteller Carl Einstein behaupten könnte. Und es ist ein Wunder, dass Maier nicht in allem, was er sagt, ernst genommen wird. (Sigi Lützow, DER STANDARD Printausgabe, Dienstag, 2. Dezember 2008)