Bern - Die vorzeitige Pensionierung in der Schweiz ab 62 Jahren bleibt ein Privileg der Gutsituierten. Die Eidgenossen lehnten die Initiative für eine Flexibilisierung des Rentenalters für einkommensschwächere Bevölkerungsschichten klar ab. Fast 59 Prozent der Stimmbürger votierten gegen das Begehren des Schweizer Gewerkschaftsbundes (SGB), meldeten die Schweizer Medien am Sonntagabend.

Die Vorlage stieß auf erbitterten Widerstand von Mitte- und Rechtsparteien sowie der Wirtschaft. SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi (Schweizerische Volkspartei) betonte auf telefonische Anfrage, die Stimmbürger hätten erkannt, dass die Vorlage "gegen den gesellschaftlichen Trend läuft, bei dem die Menschen immer älter werden". Er unterstrich das Problem der Folgekosten, die ein Ja mit sich gebracht hätte.

Paul Rechsteiner, Präsident des SGB, zeigte sich im Schweizer Fernsehen wenig erfreut über den Ausgang der "AHV-Initiative" (staatliche Alters- und Hinterbliebenenversicherung). Die Angstkampagne der Gegner im Zusammenhang mit der Finanzkrise habe offenbar verfangen, erklärte er. Vom Tisch sieht er das Ansinnen jedoch nicht.

CVP-Präsident Cristophe Darbellay (Christdemokraten) betonte dazu, für Menschen mit niedrigem Einkommen und hoher Belastung am Arbeitsplatz müsse eine Lösung gefunden werden, "aber nicht mit dem Gießkannenprinzip, das Linke und Grüne dieses Wochenende gefordert haben". Die Initiative hätte einen geschätzten Mehraufwand von 1.5 Mrd. Schweizer Franken (rund 970 Mio. Euro) pro Jahr gebracht. Die Gegner befürchteten zudem, das Begehren laufe faktisch auf eine generelle Senkung des Pensionsalters von 65 auf 62 hinaus.

Die schweizerische Altersvorsorge beruht neben der staatlichen AHV zur Sicherung der Existenzbedürfnisse auf zwei weiteren Standbeinen: Der obligatorischen Berufsvorsorge, bei der neben dem Arbeitnehmer auch der Arbeitgeber Beiträge berappen muss und der freiwilligen privaten Vorsorge.

Die Initiative "für eine Flexibilisierung des Rentenalters" verlangte, dass Personen mit mittleren und kleinen Einkommen unter 120.000 Schweizer Franken künftig ohne finanzielle Abstriche vorzeitig in Pension gehen können. Sollte eine kommende Revision der staatlichen Altersvorsorge keine Verbesserung bringen, kündigte die Linke das sofortige Referendum dagegen an. (APA)