Prag - Das tschechische Abgeordnetenhaus wird sich am Dienstag kommender Woche (9. Dezember) mit dem EU-Reformvertrag befassen. Der sozialdemokratische Parlamentspräsident Miloslav Vlcek, berief eine außerordentliche Sitzung des Prager Unterhauses dazu ein, teilte sein Sprecher Dusan Vesely am Montag mit.

Die Sondersitzung hatten die oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) sowie die in der Regierung vertretenen Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen beantragt. Offensichtlich wollen diese Parteien, die für den Vertrag von Lissabon sind, dem konservativen Premier Mirek Topolanek so deutlich machen, dass die Ratifizierung des Dokuments doch noch heuer durchführbar ist. Topolanek, dessen Demokratische Bürgerpartei (ODS) in der Ratifizierungs-Frage gespalten ist, hatte gemeint, dies sei aus Zeitgründen erst Anfang 2009 möglich - also nachdem Tschechien bereits die EU-Ratspräsidentschafts übernommen hat. Eine Abstimmung noch vor Jahresende bezeichnete der Vorsitzende der konservativen ODS als "riskant".

Das Abgeordnetenhaus hatte sich bereits im Frühjahr mit dem EU-Reformvertrag befasst. Allerdings wurde der Ratifizierungsprozess unterbrochen, weil der Senat auf Initiative von ODS-Senatoren den Verfassungsgerichtshof angerufen hatten, den EU-Vertrag auf seine Vereinbarkeit mit der tschechischen Verfassung zu prüfen. Der Gerichtshof entschied vergangene Woche, dass der Vertrag von Lissabon nicht im Widerspruch zur tschechischen Verfassung steht. Und das 15-köpfige Richtergremium gab Grünes Licht für die Fortsetzung der Ratifizierung.

Tschechien ist - außer Irland - das einzige EU-Land, dessen Parlament dem EU-Reformvertrag noch nicht zugestimmt hat. Das nördliche Nachbarland wird am 1. Jänner 2009 für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz übernehmen.

Zustimmung wahrscheinlich

Es gilt als wahrscheinlich, dass der Reformvertrag in beiden Parlamentskammern ratifiziert wird. Neben der CSSD, KDU-CSL und den Grünen will auch ein Teil der ODS dafür stimmen. Die ODS hat den Ruf einer "euroskeptischen" Partei. Einige ODS-Politiker sowie der ODS-Ehrenvorsitzende und Staatspräsident Vaclav Klaus lehnen das EU-Abkommen strikt ab. Premier Topolanek sieht in als "notwendiges Übel" und ist trotz Kritik daher für die Ratifizierung.

Der Ratifizierungsprozess muss in Tschechien mit der Unterschrift des Staatsoberhaupts abgeschlossen werden. Klaus deutete kürzlich an, dass er den Vertrag erst dann beurkunden wolle, wenn auch Irland ratifiziert hat. Das Abkommen, das die Arbeitsmethoden und Abstimmungsregeln der EU vereinfachen soll, kann erst in Kraft treten, wenn alle 27 EU-Mitglieder es angenommen haben. (APA)