Die Hinrichtung von Wo Weihan zeigt, wie es um die Lage der Menschenrechte in China bestellt ist, nämlich dramatisch. Das ist nicht unbedingt neu: Amnesty International schätzt, dass jährlich tausende Menschen in China hingerichtet werden. Und erst vor zehn Tagen hatte etwa der UNO-Menschenrechtsausschuss den "routinemäßigen Einsatz von Folter" kritisiert. Aber der Fall führt drastisch vor Augen, wie zynisch und menschenverachtend das Regime mit seinen Delinquenten umgeht. Und wie aussichtslos die Bemühungen von westlicher Seite bisher sind, durch Dialog irgendetwas zu bewirken.

Pekings Verteidigung, dass der Fall Wo Weihan gerecht und gesetzlich abgelaufen sei, macht es nur schlimmer. Wo hat offensichtlich kein faires Verfahren erhalten, musste seine Aussage ohne Anwalt machen, wurde wahrscheinlich gefoltert und über seine Exekution bis zuletzt nicht informiert. Ebenso wenig seine Familie. Wenn Wo nicht anders behandelt worden ist als andere, sind das die chinesischen Standards. Nur erfährt die Öffentlichkeit meist nichts davon.

Den Zeitpunkt der Hinrichtung - während des EU-Menschenrechtsdialogs - muss man aber auch als Signal an die Union verstehen, die sich für eine Begnadigung starkgemacht hatte. Noch-Außenministerin Plassnik hat recht, wenn sie von einem „vorsätzlichen Affront" spricht. Jede Kritik an der Menschenrechtslage fasst Peking als Einmischung und Provokation auf, auch die Treffen mit dem Dalai Lama oder etwa die Verleihung des Sacharow-Preises an den Bürgerrechtler Hu Jia. Der Schluss darf nun keinesfalls lauten, die Missstände weniger deutlich anzusprechen. Ganz im Gegenteil. (Julia Raabe, DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2008)