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Jacques Palminger (mit Oberlippinger) und die Kings Of Dub Rock in Magenta. Die beiden im Hintergrund drängten sich ins Bild.

 

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Wien - Logorrhoe, in der Umgangssprache Sprechdurchfall genannt, ist ein wesentliches Mittel der Kunstfigur Jacques Palminger. Der deutsche Entertainer, der am Wochenende bei brut im Konzerthaus mit den Kings Of Dub Rock aufgetreten ist, ordnet sein freies Assoziieren jedoch in kunstvoll verquere Texturen - und Songs.

Kleine dreiminütige Eruptionen von persönlichen Befindlichkeiten, gespeist aus Ungemach aus den Medien und von der Welt als solcher, führen zu rüden Aufforderungen wie „Fick dich, Henry Maske!", über den man auch noch erfährt, dass er „Brüste am Rücken tätowiert" hat. Das liest sich zugegebenerweise etwas halblustig. Ein gespielter Witz ist eben schwer nachzuerzählen.

Palminger, der aussieht wie Mick Harvey von Nick Caves Begleitband The Bad Seeds, heißt bürgerlich Heiner Ebber und ist Mitglied des Studio Braun. Dieses ist in Deutschland für seine via Radio verbreiteten Telefonstreiche bekannt und berüchtigt. Palminger ruft zusammen mit Heinz Strunk (Autor von Fleisch ist mein Gemüse) sowie dem Musiker und Autor Rocko Schamoni ahnungslose Bürger an und führt sie vor.

Handschelle oder Melodica

Mit 44 hat Palminger nun sein Debütalbum Mondo Cherry (Vertrieb: Edel) veröffentlicht: Zu Dub-Reggae oder nachgestellten frankophilen Chansons wird darauf etwa über die „Deutsche Frau" meditiert, über ihre Beine, mit denen sie „zu oft zu weit geht" oder ihre Haare, die ihr „aus dem Kopf" wachsen. Palminger, gekleidet in einen mit ihm mitgewachsenen Maturaanzug, singt, spielt Handschelle oder Melodica und ist für Scherze in und zwischen den Liedern zuständig. Rica „Ric" Blunck spielt dazu Geige oder singt, was noch zu retten ist, während Viktor „Vic" Marek am Sampler die Knöpfe drückt, den Dub geschmeidig hält und sich stellenweise mit Gitarre zeigt.

Das ergibt in Summe einen launigen Unterhaltungsabend mit norddeutschem Humor, Erzählungen vom „Harakiri-Stammtisch Altona", der zu Ehren des japanischen Schriftstellers und politischen Aktivisten Mishima gegründet wurde und manifeste Einsichten zur Ausgangslage des Trios Jacques Palminger: „Unsere Unwissenheit ist so groß wie unser Durst."
Sollte je ein Helge-Schneider-Orden vergeben werden, Palminger wäre der erste Kandidat. (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.12.2008)