Paris - Die unwürdige Behandlung eines prominenten Journalisten durch Justiz und Polizei hat in Frankreich Empörung ausgelöst. Auch die konservative Regierungspartei UMP sprach am Sonntag von einer "surrealistischen Aktion" und verlangte eine Untersuchung des Vorfalls. Vittorio de Filippis, ein früherer Chef der linksunabhängigen Pariser Zeitung "Libération", war am Freitag vor dem Morgengrauen von der Polizei in seiner Wohnung festgenommen worden. Begründet wurde dies damit, dass das Blatt vor zwei Jahren im Internet einen Leserbrief veröffentlicht hatte, in dem die Verurteilung eines Unternehmers wegen Veruntreuung erwähnt worden war. Der Unternehmer hatte wegen übler Nachrede Anzeige erstattet.

De Filippis wurde nach eigenen Angaben bei der Festnahme vor seinen Kindern beleidigt. Die Polizisten beschimpften ihn, er sei "schlimmer als die Racaille", das Schimpfwort für gewalttätige Vorstadt-Jugendliche. Er wurde in Handschellen abgeführt und musste sich auf der Wache zweimal nackt ausziehen, um durchsucht zu werden. Zugang zu seinem Anwalt wurde ihm verweigert. Fünf Stunden später wurde Filippis auf freien Fuß gesetzt.

"Komplize"

Das französische Presserecht von 1881 stuft den Leiter einer Publikation bei einem beleidigenden Artikel als "Hauptautor" ein. Der eigentliche Schreiber gilt als "Komplize". Die Anwälte von "Libération" streiten allerdings ab, dass der Chef einer Zeitung für Leserbriefe gerade stehen muss. Zudem geht es bei übler Nachrede um kein Verbrechen, dass mit Gefängnis bestraft wird.

Der Fall löste eine breite Berichterstattung in den Medien aus. Die Zeitung "Le Monde" widmete ihr am Sonntag eine ganze Seite. Die UMP erklärte, das "unverhältnismäßige" Vorgehen solle zum Anlass genommen werden, bei der derzeitigen Diskussion über eine Reform des Medienrechts auch das Verhältnis der Justiz zu den Medien zu erörtern. (APA/dpa)