The Smiths: "The Sound of the Smiths"
... lasst euch sagen, es weihnachtet sehr. Wem die samstägliche Stampede in den Einkaufszonen noch nicht als Hinweis darauf genügt hat, der merkt es spätestens am erhöhten Aufkommen von Compilations. Und das ist doch mal eine feine: Scheibe 1 enthält, chronologisch geordnet, 23 Songs von "Hand in Glove" bis zu "Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me", Scheibe 2 B-Seiten ("Jeane"? Nie gehört!) und Live-Versionen, nochmal 22 an der Zahl. - Parallel dazu erscheinen die wichtigsten Singles als 7''-Vinyls: Für alle, die eine der wichtigsten Bands der 80er mal im originalgetreuen Format daheim haben wollen - oder die damals so blöd waren wie ich, der die erste selbstgekaufte Single seines Lebens ("Panic") verschenkt hat, "weil ich jetzt ja eh auch das Album hab, auf dem sie drauf ist" ... (Rhino/Warner)

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Coverfoto: Rhino/Warner

Fuzzman: "Fuzzman 2"
Fest steht, dass man das Wort "Lo-Fi" im Zusammenhang mit Fuzzman inzwischen ruhig runterschlucken kann; hier geht's mit Pauken und Trompeten zur Sache. Und dass Unzufriedenheit (ob empfunden oder bekundet) nicht die einzige Triebfeder für Kreativität ist. Vermutet werden kann, dass sich das Publikum auf einer hypothetischen US-Tour wohl fragen würde, vom Rückzug in welche mountains hier die Rede ist, soll heißen wie der Fuzzman-Sound regional einzuordnen wäre. Und dass das Kärntnerlied "Liabale", das dies als CD-Abschluss klarstellt, live dort ein Knüller wäre. Offen bleibt, wie viele großartige Songs noch in Herwig Zamernik schlummern. Beeindruckend, einmal mehr. (Wohnzimmer/Hoanzl)

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Fuzzman

Coverfoto: Wohnzimmer

Of Montreal: "Skeletal Lamping"
Innen- und Außenwelt in trauter Eintracht: Passend zum aufwändigsten Faltcover aller Zeiten (das in voller Ent-Wicklung Tischtuchgröße erreicht und trotzdem keinen Platz für die Lyrics hat) ufert das musikalische Panorama von Kevin Barnes & Co auf dem neuen Album endgültig aus. Funkiger Rokoko-Pop wie auf dem Vorgänger-Album "Hissing Fauna, Are You the Destroyer?" bleibt der Grundbestandteil, wird aber aufgelöst in einer Rekordzahl an Melodie- und Rhythmuswechseln, die jede Track-Unterteilung ad absurdum führen. I wanna be your beast, I wanna dry your tears, I wanna make you paranoid, I wanna help you grow, I wanna make you cum 200 times a day: Mindestens 3 von 5 wird Kevin Barnes bei jedem erreichen. (Polyvinyl/Trost)

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Of Montreal

Coverfoto: Polyvinyl

King of Japan: "Future of Mankind"
Die Geschlechtsumwandlung des Jahres: Die Thronfolge am Mikro ist von Catriona Shaw an Franz-Dampf-in-allen-Gassen Wenzl (Kreisky, Austrofred) übergegangen und Hans Platzgumers Rockdisco-Projekt Queen of Japan ist zum "King" mutiert. Der Sound ist dennoch der gleiche geblieben - und es steht ihm gar nicht schlecht, wenn "Wenzel van Boehmen" zu einigen der kraftvolleren Stücke seine Stimme wie aus einer Tube hervorquetscht. Je zur Hälfte setzt sich das Album aus Eigenkompositionen und Covers zusammen - letztere sind nach einem losen SciFi-Leitfaden ausgesucht und umfassen Zager and Evans' schaurigen Klassiker "In the Year 2525" ebenso wie Supertramps "Logical Song" (sehr schöne Version!) oder das vergessene "Love Makes You Crazy" von Mike Batt, ein Lieblingslied meiner ganz frühen Jahre. Danke dafür! (Echokammer/Hoanzl)

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King of Japan

Coverfoto: Echokammer

Grace Jones: Hurricane"
Mein erster Eindruck war: Groß, wenn auch schwerverdaulich; und es fehlt der Hit. Über einen Monat des Immer-wieder-und-immer-lieber-Anhörens hinweg hat sich das komplett gewandelt: Ich staune, mit welcher Eleganz Grace Jones die auf Reggae bzw. Dub basierende Soundschleppe hinter sich herzieht wie einst den Riesenfummel in "I'm not perfect" - viel zu majestätisch, um jemals in etwas so Uncooles wie Uptempo zu verfallen. Der grimmigen Düsternis von "This Is" oder "Corporate Cannibal" stehen, auch gesanglich, unwahrscheinlich sanfte Momente - "Sunset Sunrise" oder der Torch Song "I'm Crying (Mother's Tears)" - gegenüber. Staunenswert auch das vollkommen stimmige Spiel mit tausenderlei Fremd- und Selbstzitaten, die einzig auf das von allem losgelöste System Grace Jones verweisen. Bezeichnend, dass der Gospel-Chor in "William's Blood" nicht Take me oder Save me skandiert, sondern Let me go. Zu welcher Instanz sollte jemand, der sich so konsequent selbst erschaffen hat, auch aufblicken? (Wall of Sound/Edel)

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Grace Jones

Coverfoto: Wall of Sound

Belle and Sebastian: "The BBC Sessions"
Das letzte Studioalbum der SchottInnen ("The Life Pursuit", 2005) enthielt in der Deluxe-Ausgabe eine Live-DVD mit einem Auftritt bei der BBC, wo sie Songs des neuen Albums vorstellten. Interessant zu sehen, wo das Publikum richtig in die Gänge kam - nämlich bei "Dress Up In You", einer zwar sehr ruhigen Nummer, die aber dem alten Stil der Band am nächsten kam. Alle Fans mit entsprechenden Präferenzen werden mit dieser Neuerscheinung bestens bedient sein: "The BBC Sessions" umfasst Auftritte aus den Jahren 1996 bis 2001 und somit Klassiker wie "Sleep The Clock Around" oder "The State I Am In". Fernab von Richtungsdiskussionen rufen Stuart Murdoch & Co in Erinnerung, warum sie sich einen derart magischen Ruf erworben haben. (Jeepster/Soulfood)

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Belle and Sebastian

Coverfoto: Jeepster

B. Fleischmann: "Angst Is Not A Weltanschauung"
Während wir uns im Juni und Juli dieses Jahres die Hirne zu Matsch geschwitzt haben, ist mitten unter uns in Wien ein Album entstanden, das in seinen klaren Konturen und seiner Präzision viel besser in die kühle Luft des Herbstes passt. Und auf so lakonische Weise schön  ist, wie es eine Zusammenarbeit von Bernhard Fleischmann mit Christof Kurzmann von den (lang, lang ist's her) einstigen Extended Versions erwarten lässt. Erhaben die Schwermut in "In Trains", einem von mehreren Stücken mit Gastsängerin Marilies Jagsch - und auch Daniel Johnston ist mit dabei auf einem Album, auf dem sich Minimal-Elektroniker Bernhard Fleischmann so zugänglich wie noch nie zeigt. (Morr/Hoanzl)

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B. Fleischmann

 

Coverfoto: Morr

"Catherine Ringer chante Les Rita Mitsouko and more"
Vor fast genau einem Jahr starb Fred Chichin, und Les Rita Mitsouko existieren nicht mehr. Freds jahrzehntelange Partnerin Catherine Ringer ging, nun auf CD und DVD dokumentiert, 2007 erstmals auf Solo-Tournee - und es ist keine besinnlich-akustische Reihe von Gedenkkonzerten geworden, sondern betont rockig. Das ausgewählte Songmaterial passt dazu hervorragend, es stammt überwiegend vom straighten letzten Rita Mitsouko-Album "Variéty", ergänzt um die großen Hits aus der Altvorderenzeit wie "C'est comme ça" oder "Marcia Baila". Der Zusatz ... and more bezieht sich auf  Covers von unter anderem Mink de Ville und Velvet Underground - und Catherine erweist sich als exaltierte Zeremonienmeisterin ihres eigenen Musikzirkus einmal mehr als große Performerin. (Because/Import)

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RitaMitsouko.com

Coverfoto: Because

+ - : "Xs On Your Eyes"
Spinning out of control, sailing off tracks ... wie in der Flugbahn eingefroren verharrt der Moment, an dem das besungene System in seine chaotische Phase eintritt, als reduzierte elektronische Zeitlupe in der Luft - ehe nach 2 Minuten 14 Sekunden die Gitarren im Aberwitztempo loslegen und den Vorgang auf sein eigentliches Tempolevel hieven: "Tired Eyes", ein filmreifer Beginn. Dieses Muster wiederholt sich in mehreren Stücken, wenn auch nicht ganz so atemberaubend wie im Album-Opener. Das New Yorker Trio + -, bestehend aus James Baluyut, Chris Deaner und Patrick Ramosso, hat mit "Xs On Your Eyes" ein Rockalbum geschaffen, das vor allem durch seine Dynamik besticht. (Absolutely Kosher Records/Hoanzl)

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+-

Coverfoto: Absolutely Kosher Records

Anssi 8000 & Maria Stereo: "Duel"
Es liegt ein Hauch von "Friss Blei, Schurke!"-Attitüde in der Luft, wenn der Musiker und Filmemacher Anssi Kasitonni alias "Anssi 8000" aus der tiefsten finnischen Provinz Sangespartnerin Maria Stereo gegenüber tritt. Das vom finnophilen Franzosen Léo Fourastié (hat auch die Finger bei 22-Pistepirkko drin) koproduzierte Album erfreut mit - Riot! - Surfpunk, der die genreübliche Semantik aber nicht allzu sehr strapaziert. Gut, ein "Zombie"-Song kommt vor - der bilanziert allerdings das gar nicht so grässliche "Leben" als Untoter und sticht als sanftmütigste Nummer des ganzen Albums hervor. Skurril! (Bone Voyage Recordings/Hoanzl)

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Anssi 8000

Coverfoto: Bone Voyage Recordings