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Terrorschauplatz Nariman House in Mumbai: Die Attentäter kamen nach Aussage des einzigen überlebenden Terroristen aus Pakistan. Es dauerte 60 Stunden, bis die Polizei dem Angriff ein Ende setzen konnte.

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Innenminister Shivraj Patil trat ab.

Foto: AP Photo/Mustafa Quraishi, File

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Polizeiwache vor einer Absperrung außerhalb des Taj Mahal Hotels in Mumbai. 

Foto: AP /David Guttenfelder

Für Indiens Regierung könnte es der Anfang vom Ende sein. Nach dem dreitägigen Terrordrama mit 183 Toten in Mumbai kocht der Volkszorn. Wütende Bürger ziehen durch die Straßen und werfen Politik und Behörden Versagen vor. "Genug ist genug", titeln Fernsehsender. Der Ärger wuchs noch, als bekannt wurde, dass seit Monaten Warnungen vor einem Terroranschlag vorlagen. Fischer hätten die Behörden vor zwei Wochen angeblich sogar informiert, dass Unbekannte große Mengen Sprengstoff nach Mumbai schmuggeln. Doch die Verantwortlichen schliefen offenbar. Obendrein brauchten die Elite-Truppen "Black Cats" zehn Stunden, um zum Tatort zu gelangen.

Nun steht die Regierung mit dem Rücken zur Wand, und im Frühjahr wird in Indien gewählt. Die regierende Kongresspartei versuchte am Sonntag den Befreiungsschlag und ließ Köpfe rollen. Als Erster musste Innenminister Shivraj Patil den Hut nehmen. Er hatte schon bei der Bombenserie am 13. September in Delhi eine schlechte Figur gemacht. Der als Dandy verspottete Minister schien mehr an einem telegenen Aussehen interessiert als an dem Anschlag - in vier Stunden wechselte er dreimal die Garderobe. Sein Nachfolger wird Finanzminister Chidambaram. Regierungschef Manmohan Singh übernimmt in Personalunion auch das Finanzressort. Auch andere hochrangige Beamte standen auf der Abschussliste.

Säbelrassel

Auch gegenüber Pakistan rasselte Indiens bedrängte Regierung mit den Säbeln. Sie glaubt die pakistanische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) hinter dem Terror, der erst nach 60 Stunden am Samstag endete. Außenminister Pranab Mukherjee drohte dem Nachbarland mit "ernsten Konsequenzen". TV-Sender meldeten, Indien erwäge, die Friedensgespräche aufzukündigen.

Wenig später ruderte Delhi vorsichtig zurück: Man habe bisher nicht Pakistans Regierung direkt beschuldigt, sondern "Elemente aus Pakistan". Tatsächlich geht es vor allem darum, Stärke zu demonstrieren. Viele glauben, dass der Terroranschlag in Mumbai die Niederlage der Kongresspartei besiegelt hat. Terrorismus ist eines der großen Wahlkampfthemen.

Vor allem die oppositionelle Hindu-Partei BJP attackiert hier die Regierung und wirft ihr Versagen vor. Allein in diesem Jahr gab es in sieben indischen Großstädten Bombenserien. Die meisten Anschläge gingen auf das Konto von einheimischen Muslimen. Hinter einigen anderen Attacken steckten Hindu-Extremisten. Viele Menschen fühlen sich nicht mehr sicher.

Profi-Terroristen

Die Machart der Mumbai-Anschläge weist nach Ansicht von Experten auf Profi-Terroristen hin, die von Al-Kaida inspiriert und im Ausland ausgebildet wurden. Delhi und auch Washington vermuten Lashkar-e-Toiba hinter der Tat. Der einzige überlebende Terrorist, der 21-jährige Amir Kasav, hat angeblich gestanden, dass er der LeT angehört. Die LeT gilt als Zögling von Pakistans Militär und Geheimdienst ISI. Alarmiert soll US-Außenministerin Condoleezza Rice angeblich schon am Donnerstag Pakistans Präsidenten Asif Ali Zardari angerufen haben. Bereits in den Anschlag auf die Indische Botschaft in Kabul Anfang Juli soll der ISI verwickelt sein.

Kasav soll berichtet haben, er sei mit zwölf anderen Terroristen aus der pakistanischen Hafenstadt Karachi per Schiff nach Mumbai gereist. Einige Terroristen sollen als Studenten getarnt länger dort gewohnt haben. Andere sollen sich als Hotelgäste im Taj Mahal eingemietet haben, um einen Lageplan zu erstellen. Laut Kasav sei ihr Ziel gewesen, das Taj in Schutt und Asche zu legen - wie das World Trade Center am 11. September 2001 in New York und das US-Hotel Marriott am 20. September in Islamabad. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi, DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2008)