Der Beliebtheitsgrad von Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi ist innerhalb von wenigen Wochen dramatisch gesunken. Er verlor in den Zustimmungsraten von 64 Prozent auf knapp über 40 Prozent. Dies sagte Italiens renommiertester Meinungsforscher, Renato Mannheimer, im Interview mit dem Standard. Grund für die sinkende Beliebtheit seien nicht so sehr die "verbalen Ausrutscher" (etwa Berlusconis rassistische Bemerkungen über den "so schön sonnengebräunten" designierten US-Präsidenten Barack Obama), sondern die Studentenunruhen, die Endlosgeschichte der Alitalia, vor allem aber die Wirtschaftskrise. Auch wenn die Regierung nicht für die Finanz- und Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht werden könne, so beeinflusst die dauernde Verzögerung von Entscheidungen Mannheimer zufolge das Vertrauen in die Politik massiv.

Die sinkende Zustimmung für Berlusconi und seinen Wirtschaftsminister Giulio Tremonti kommt aber keineswegs der Opposition zugute. Mannheimer: "Es handelt sich nicht um eine Vertrauenskrise gegenüber dem Mitte-rechts-Lager, sondern um eine allgemeine Vertrauenskrise in die Politik." Typisch sei, dass in dieser Stimmung die extremen und äußerst populistischen Parteien profitieren: Die rechts angesiedelte Lega Nord oder aber die derzeit im Oppositionslager präsente Partei des früheren Staatsanwaltes Antonio Di Pietro, "Italia dei valori", gewännen an Zustimmung.

Fini deutlich beliebter

Auf die Frage, wer denn als Nachfolger für den 72-jährigen Regierungschef die meiste Zustimmung in der Bevölkerung hat, verwies Mannheimer auf den ehemaligen Parteiobmann der postfaschistischen Alleanza Nazionale, Parlamentspräsident Gianfranco Fini. "Fini hat zwar die Zustimmung der Bevölkerung, und er ist wesentlich beliebter als Berlusconi, aber er hat nicht den vollen politischen Konsens", sagt der Meinungsforscher.

Aber nicht nur die Politik ist derzeit in Ungnade gefallen. Auch die Gewerkschaften haben an Zustimmung verloren, wie aus Mannheimers Umfragedaten hervorgeht: Während in den 1980er-Jahren noch 60 Prozent der Bevölkerung der Gewerkschaftspolitik zustimmten, sind es inzwischen nur mehr 30 Prozent. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.11.2008)