Der ORF wird derzeit oft mit der AUA oder der Post ver-glichen. Zu Recht: Es handelt sich um staatsnahe Unternehmen, mit historisch hohem Politikeinfluss, stark gewerkschaftlich bestimmt, mit zu vielen und auch teilweise zu teuren Mit-arbeitern, die überdies überdurchschnittlichen Veränderungsschutz genießen. Alle drei sind existienziell bedroht, teils durch Änderung des technologischen und marktmäßigen Umfelds, teils durch eigenes Missmanagement, das mit der gewerkschaftlichen und politischen Einflussnahme in Zusammenhang steht.

Die AUA ist bereits an einen deutschen Großkonzern aus der Branche (Lufthansa) verkauft worden, die Post sollte schon vor Jahren an einen deutschen Großkonzern (die Deutsche Post) verkauft werden und wird es vielleicht noch. Auch der ORF könnte ganz oder teilweise an einen deutschen Großkonzern aus der Branche verkauft werden.

Dies würde kaum qualitative Verbesserung bieten, weder bei der Information noch bei der Unterhaltung. Nach vollbrachter Privatisierung würde man die alten Zeiten als paradiesisch betrachten, sowohl was parteipolitische Abhängigkeit als auch Minimalniveau betrifft.

Systemfrage

Dem ORF stellt sich jetzt die Systemfrage. Unzweifelhaft ist, dass der jetzige öffentlich-rechtliche Status unweigerlich politischen und damit parteipolitischen Einfluss bedeutet. Die Frage ist, ob man diesen Einfluss begrenzt (ganz wegbringen kann man ihn nicht) , indem man privatisiert oder indem man die jetzige Rechtsform beibehält und versucht, auf anderem Wege den ORF unabhängiger und qualitätsbetonter zu machen.

Die Antwort kann nur lauten, dass die öffentlich-rechtliche Form beibehalten werden muss. Bei einer Privatisierung sind Unabhängigkeit und journalistische Qualität einfach nicht die primären Unternehmensziele. Bei einer Privatisierung ans Ausland stellt sich die Frage der österreichischen Identität.

Wie kann der ORF in öffentlich-rechtlicher Form innerlich freier und dabei qualitätvoller werden? Zunächst durch wirtschaftliche Sanierung, denn wer vom Staat ständig Geld verlangen muss, ist naturgemäß in Abhängigkeit. Wenn überdies Betriebsräte den Generaldirektor (mit-)wählen, treibt das unweigerlich die (Personal-)Kosten.

Ein Sparprogramm ist objektiv, aber auch aus Gründen größerer Politikunabhängigkeit unumgänglich, aber es ist nicht alles. Wahrscheinlich braucht der ORF in breiten Bereichen ein Management, das mehr international erprobt als lokal-parteipolitisch vernetzt ist - und das wieder mehr Kreativität und journalistische Unbekümmertheit fördert. Allein, wie die Gästelisten von Diskussionssendungen zustande kommen, ist ein ermüdendes Eiertanzballett.

Der ORF ist ein seltsamer Großkomplex mit einer Betriebskultur, die viel bürokratische Trägheit und fragwürdige politische Vernetzung verkörpert - aber auch viel Kreativität und eigensinnige journalistische Unabhängigkeit. Diese Kultur kann sich auch gegen politische Gängelungsversuche durchsetzen. Ein ORF-Management muss das nur stärken und einsetzen wollen. (Hans Rauscher, DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.112.008)