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Franz Fischler

Der Kampf gegen den Klimawandel droht ins Stocken zu geraten, weil man uns glaubhaft machen will, dass wir uns derzeit aufgrund der negativen Wirtschaftsentwicklung den Klimaschutz nicht mehr leisten können. Das Gegenteil ist der Fall: Wir können uns kein weiteres Zaudern und Abwarten mehr leisten, wenn wir ein "multiples Organversagen" unserer Erde verhindern wollen. Eine Reduktion der Treibhausgase bis 2050 auf zumindest die Hälfte des Wertes von 1990 ist notwendig, um den globalen Temperaturanstieg auf plus zwei Grad einzudämmen und unabsehbare Schäden zu verhindern.

Es hat einfach keinen Sinn, Klimaschutz und Wirtschaftsankurbelung gegeneinander auszuspielen. Das betonte vor kurzem der renommierte Ökonom Nicholas Stern bei einer Konferenz des Ökosozialen Forums und des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung zum Thema "Klimagerechtigkeit im Europäischen Parlament" . Klimaschutz und die Bewältigung der Finanzkrise seien keine Pferde, die um die "Wette laufen", sondern im Gegenteil welche, die man zusammenspannen kann, so Stern, und er gibt damit eine zukunftsfähige Richtung für Politik und Wirtschaft vor.

Deutlich sind auch die Wirtschaftszahlen. Die Umwelttechnikindustrie in Österreich weist mit einem jährlichen Umsatzplus von durchschnittlich 12,3 Prozent zwischen 2003 und 2007 deutlich höhere Wachstumsraten auf als die herkömmliche Sachgüterproduktion, bei den Arbeitsplätzen ist die unterschiedliche Entwicklung noch deutlicher. EU-weit sind bereits um ein Viertel mehr Menschen in der Umweltindustrie beschäftigt als in der Autoproduktion.

Was ist zu tun, um Klima- und Wirtschaftskrise gleichzeitig zu bekämpfen? Die Konjunkturpakete der österreichischen Regierung müssten viel mehr als derzeit vorgesehen auf Maßnahmen zur CO2-Reduktion setzen. Die Verbesserung der Energieeffizienz bei Gebäuden ist wichtig, aber reicht allein nicht aus. Auch bei Mobilität, öffentlichem Verkehr, erneuerbaren Energien und Ressourcenverbrauch muss es deutliche Verbesserungen geben. Das füllt die Auftragsbücher und sichert Arbeitsplätze.

Auf EU-Ebene geht es zunächst darum, an den 20-20-20-Zielen und deren Umsetzung festzuhalten, auch wenn das einige Mitgliedsstaaten boykottieren. Weiters geht es darum, den Technologievorsprung in Sachen Umwelttechnologie auszubauen, zumindest zu halten; nur so kann es gelingen, die Wettbewerbsstärke im Umweltsektor zu behalten. International sind die Errichtung eines globalen CO2-Zertifikatmarktes, die Förderung neuer Technologien, Mechanismen zur Begrenzung der Entwaldung sowie Maßnahmen zur Anpassung an den nicht vermeidbaren Teil des Klimawandels jene Hebel, die wir brauchen, um mehr Klimagerechtigkeit zu schaffen.  (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.11.2008)