Asien-Expertin und Journalistin Brigitte Voykowitsch: In der städtischen Mittelschicht Indiens "besonders schlimm".

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Wien  - Kein "Rezept" scheint es bisher zu geben, wie man die gezielte Abtreibung von Mädchen in asiatischen Ländern verhindern kann. Diese Ansicht vertrat die Asien-Expertin und Journalistin Brigitte Voykowitsch bei einem Vortrag im SPÖ-Frauenzentrum ega am Donnerstagabend in Wien.

Man könne nicht einfach die Armut oder die mangelnde Bildung der Menschen dafür verantwortlich machen. So sei die Situation gerade in der städtischen Mittelschicht Indiens "besonders schlimm". Die seit den 1970er Jahren verbreiteten technischen Möglichkeiten zur Feststellung des Geschlechts eines Kindes würden sich mit traditionellen Vorurteilen verbinden und so die Diskriminierung der Frauen festigen.

Pauschal-Verurteilung

Gleichzeitig warnte Voykowitsch aber davor, die indische Gesellschaft pauschal als Mädchen-feindlich anzusehen. "Die Mädchen, die schon einmal da sind, werden  meist sehr gut behandelt", und bekämen oft eine hervorragende Ausbildung. Inder wollten aber oft mindestens einen Sohn haben. Die Söhne seien jene, die traditionell den Namen und das Vermögen der Familie weitergeben, während Mädchen oftmals "nur kosten".

Voykowitsch und SPÖ-Entwicklungssprecherin Petra Bayr warnten vor den Konsequenzen eines Ungleichgewichts zwischen Männern und Frauen in asiatischen Gesellschaften. So würden bereits heute Mädchen aus Vietnam mit Jobangeboten nach China gelockt und zwangsverheiratet; in Indien gäbe es immer wieder Entführungen von Mädchen um sich Ehefrauen zu beschaffen. In China sei mittlerweile auch die sexuelle Gewalt gegen Frauen ein immer stärker werdendes Phänomen, dass ebenfalls auf den Männerüberschuss zurückgeführt werde.

Staatlichen Eingriffe?

Die Expertin zeigte sich skeptisch gegenüber staatlichen Eingriffen, um dieses Problem zu lösen. Gerade in Indien sei es oft der Fall, dass Gesetze nicht durchgesetzt werden könnten - das sei auch beim Pränataldiagnostikgesetz so, dass eigentlich die Feststellung des Geschlechts vor der Geburt verbietet. Vielmehr sah sie in "von unten kommenden" Initiativen eine Möglichkeit, eventuell gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.

Allerdings gäbe es bisher kaum Untersuchungen, die sich mit den gesellschaftlichen Gründen der Abtreibung und Vernachlässigung von Mädchen im Einzelnen auseinandersetzten. Möglicherweise könnten solche Studien aber gesellschaftlich auch "zu heikel" sein, gab die Indien-Expertin zu bedenken. (APA)