Wien - Die ÖVP im Rathaus wünscht sich bei den kommenden Gemeinderatswahlen nur eines - endlich Veränderung. Das erklärte Ziel: 2010 die absolute Mandatsmehrheit der SPÖ zu knacken.
"Wichtig ist nun, eine Aufbruchsstimmung zu vermitteln" , sagt Klubobmann Matthias Tschirf. Er lud deshalb kürzlich zur VP-Klausur den Hamburger CDU-Landesparteichef Michael Freytag ein. Dieser referierte darüber, wie seine Partei die jahrzehntelange Vormachtstellung der SPD in der Hansestadt brechen konnte und wie die Koalition mit den Grünen funktioniert.

Bloß ginge sich in Wien derzeit Schwarz-Grün nicht aus. Bei den Gemeinderatswahlen 2005 bekam die ÖVP 18,77 Prozent der Stimmen, die Grünen erhielten 14,63 Prozent. Bei den Nationalratswahlen am 28. September rutschten die Schwarzen in Wien mit 16,72 Prozent auf den 3. Platz hinter die Freiheitlichen (20,43 Prozent). Die Grünen errangen 15,96 Prozent.

In der Koalitionsfrage will sich der Klubchef nicht festlegen: Bei der FPÖ würde man sich aber mit deren rechtspopulistischen Ansagen und ihrer Haltung zur Europapolitik schwertun. Die Grünen seien in wirtschaftlichen Fragen und in Fragen der Bildungs- und Verkehrspolitik oft zu "engstirnig" . Mit der SPÖ könne man über machtpolitische Verteilung "besser reden als über Inhalte" .
Auch VP-Landesgeschäftsführer Norbert Walter lässt sich die Nachwahl-Optionen offen. "Alle demokratisch gewählten Fraktionen sind auch regierungsfähig" , sagt er.

In den innerstädtischen Bezirken werde es sicher darum gehen, die Bezirksvorsteher zu halten und "vielleicht einen oder zwei dazuzugewinnen" . Das Angebot an Grünwähler? "Es schadet sicher nicht, wenn wir gesellschaftspolitisch eine Spur offener werden."

Doch auch die "Battleground" -Bezirke Floridsdorf, Donaustadt, Favoriten und Simmering will die VP nicht dem Match zwischen SPÖ und FPÖ überlassen. "Wir werden uns als Alternative in der Mitte anbieten." Diese Bezirke müssten als Wirtschaftsstandorte gestärkt und nicht als alleinige Wohnviertel betrachtet werden. Für die Bewohner der Gemeindebauten soll es ein offenes ÖVP-Ohr geben. Walter: "Dort gibt es genug Missstände. Wir werden an Orten auftauchen, wo man nicht mit uns rechnet."

Beim Thema Integration fordert Walter, dass künftig nicht mehr als 30 Prozent Kinder aus Migrantenfamilien in den Schulklassen sitzen sollen. Wie das in der Praxis funktionieren soll? "Wien ist toll vernetzt, da müssen die Kinder halt ein bisschen weiter fahren und notfalls wird es auch Schulbusse geben." Generell sind Tschirf und Walter für verpflichtende Deutschkenntnisse bei Zuwanderern.

Die ÖVP will insgesamt mehr Profil zeigen und angriffiger sein. Doch eines ist schon jetzt klar: Mit etwaiger Abgrenzung zur Bundesregierung werden sich die Wiener Schwarzen schwerer tun als die SPÖ: Immerhin ist ihr Vorsitzender Johannes "Gio" Hahn einer der Minister in der schon jetzt wenig geliebten rot-schwarzen Koalition. (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD - Printausgabe, 28. November 2008)