Namhafte Juristen machen sich derzeit große Sorgen. Sie befürchten bei politisch farbengleicher Führung des Innen- und Justizressorts rechtsstaatlichen Schaden. Offensichtlich gehen die Kritiker davon aus, dass die rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen nicht ausreichen und die parteipolitische Kontrolle zwischen Rot und Schwarz effizienter wäre. Das ist institutionalisiertes parteipolitisches Lagerdenken. Galt es bisher nicht immer als Fortschritt, wenn an die Stelle politischer die rechtliche Kontrolle trat? Und: Haben wir in der Vergangenheit nicht schon genug rot-schwarze Blockade erlebt? Fast hat es allerdings den Anschein, als ob diese Debatte nur der Vorwand für ein anderes Thema wäre:
Wie immer, wenn das Justizressort eine neue Führung erhält, sorgt man sich nämlich krampfhaft um das Weisungsrecht. Der letzte, unter dem das Weisungsrecht ins Gerede gekommen ist und der vor Jahrzehnten offenkundig das ganze Land justizpolitisch traumatisiert hat, war der Sozialdemokrat Christian Broda, und zwar im Zuge der strafrechtlichen Verfolgung des "AKH-Skandals" . Danach kam es zu legistischen Maßnahmen (Staatsanwaltschaftsgesetz 1986), die sicherstellen, dass keine rechtswidrigen Weisungen erteilt werden können: Staatsanwälte haben seit 1986 das Recht, die Ausführung derartiger Weisungen zu verweigern, sie können ersuchen, dass die Rechtssache einem anderen Staatsanwalt übertragen wird, und eine schriftliche Ausführung von Weisungen begehren. Seit 2008 muss die Weisung auch schriftlich zum Akt gegeben werden, sodass sie der Parteieneinsicht unterliegt.


Das Weisungsrecht ist ein inhaltliches Kontrollrecht, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherzustellen. Deshalb ist auch der pyramidenartige Aufbau der Staatsanwaltschaft - an der Basis sind die jüngeren und unerfahrensten Staatsanwälte, an der Spitze die erfahrensten - selbstverständlich. An der Spitze agiert ein Sektionschef, beim Justizminister setzt die parlamentarische Kontrolle ein. Dieses System ist verfassungsrechtlich abgesichert und ein wichtiger Baustein im rechtsstaatlichen Gefüge der Republik.

Die Kritiker sind, soweit mir bekannt, auch bekennende Befürworter einer weiteren Vertiefung der Europäischen Union. Doch gerade auf dieser Ebene zeigt sich die Absurdität einer parteipolitischen Blockade der beiden Ressorts, die doch im Rat Justiz und Inneres gemeinsam die Interessen Österreichs vertreten.

Wie sieht die Aufgabenverteilung konkret aus? - Die Gerichte überwachen die Grundrechtseingriffe, die Staatsanwaltschaften leiten die Ermittlungen, die Beamten des Innenministeriums führen sie durch. Weisungen der Staatsanwälte untereinander oder Anordnungen an Beamte des Innenministeriums beeinflussen natürlich den Gang der Strafverfolgung, unterliegen jedoch der Kontrolle der Parteien im Wege des Einspruchs wegen Rechtsverletzung oder des Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens.
Aufmerksamkeit und Misstrauen gegenüber politisch motivierten und rechtswidrigen Weisungen bei der Staatsanwaltschaft sind sicher berechtigt. Noch viel mehr Aufmerksamkeit und Misstrauen muss man aber haben, wenn parteipolitischer Kontrolle zwischen dem Justiz- und Innenministerium das Wort geredet wird. Diese hat dort nämlich absolut nichts verloren. Die parlamentarische Kontrolle muss auch funktionieren, wenn eine Partei die absolute Mehrheit hat, schließlich könnte nach dem Scheitern des Kabinetts Dichand I auch der Ruf nach dem Mehrheitswahlrecht lauter werden. Wie sonst sollte man dann das posthume Koalitionsziel, Strache zu verhindern, erreichen? (Dieter Böhmdorfer/DER STANDARD-Printausgabe, 28. November 2008)