Johannes Hahn: "Es gibt auch intellektuelle Verschmutzungen in Wien. Das Schlimmste ist, da wegzuschauen."

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STANDARD: Einige schwarze Landespolitiker murren über die Neuauflage von Rot-Schwarz. Wie glücklich ist die Wiener ÖVP über die neue große Koalition?

Hahn: Die Euphorie war zwar enden wollend, aber Tatsache ist, dass es zu Rot-Schwarz keine Alternative gab.

STANDARD: Wird Josef Pröll das beim heutigen Parteitag in Wels zu spüren bekommen?

Hahn: Ich mache mir über das Wahlergebnis keine Sorgen. Auch die Steirer haben gesagt, dass sie Pröll unterstützen werden. Man muss trennen zwischen der Person Pröll und der Frage der Regierungsbeteiligung. Die Zustimmung wird sicher weit über 80 Prozent liegen.

STANDARD: So hoch wird die Zustimmung der Wiener Wähler 2010 für die ÖVP wohl nicht sein. Sie wollen trotzdem Bürgermeister werden - nehmen Sie sich da nicht ein bisschen viel vor?

Hahn: Ich gehe davon aus, dass die SPÖ die absolute Mehrheit verlieren wird, damit wird sich das politische Gesicht der Stadt nachhaltig verändern. Wir werden bei dieser Wahl klarmachen, dass es weder die Position des Herrn Strache sein kann, der eigentlich nur Probleme schafft, noch eine SPÖ, die inhaltlich und personell alt geworden ist. Die Stadt braucht eine Erneuerung.

STANDARD: Eine schwarze Mehrheit ist dennoch sehr unwahrscheinlich. Mit wem können Sie sich eine Koalition vorstellen?

Hahn: Grundsätzlich schließe ich keine Zusammenarbeit aus. Obwohl ich nicht sehr ambitioniert Gemeinsamkeiten mit der FPÖ suche.

STANDARD: Worin soll die Erneuerung für Wien bestehen?

Hahn: Was diese Stadt geradezu kennzeichnet, ist, dass es kaum relevante Projekte gibt, die innerhalb von zehn Jahren entschieden werden. Ich denke an die Herumnudelei am Standort Aspern, an den Prater, die Belebung des Donaukanals. Das sind die Dinge, durch die Wien letztlich ins Hintertreffen gerät.

STANDARD: Ihre Kritik an der SPÖ-Alleinregierung bezieht sich also mehr aufs Tempo als auf den Inhalt?

Hahn: Na ja, damit ist auch eine inhaltliche Kritik verbunden, weil: Wenn ich nicht zu Entscheidungen komme, dann habe ich ja keine Ergebnisse. Wenn ich mir zum Beispiel das jahrzehntelange Wegschauen in der Integrationspolitik anschaue - das hat das Feld für einen Herrn Strache aufbereitet.

STANDARD: Welche Lösungsvorschläge hat die ÖVP da parat ?

Hahn: Man muss auch fair und ehrlich sein und den Menschen sagen, dass wir nicht von heute auf morgen eine Lösung haben. Integration heißt eben Integration in unser kulturelles Umfeld, nicht Aufrechterhalten oder Kultivieren von Parallelgesellschaften - und die gibt es. Ganz wichtig ist die konsequente nachhaltige Frage des Spracherwerbs, des Daraufdrängens, dass junge Neubürger die Bildungs- und Ausbildungsangebote nutzen.

STANDARD: Wie wollen Sie an die Menschen herankommen, die kein Interesse an Integration haben?

Hahn: Da haben wir bisher auf den Faktor Eigenverantwortung gesetzt. Um die Auseinandersetzung, welche Möglichkeiten der Sanktion es gibt, werden wir aber nicht herumkommen.

STANDARD: Welche Sanktionen fordern Sie?

Hahn: Wenn bei der Sprachstandsfeststellung herauskommt, dass ein Kind Sprachdefizite hat und noch nicht in den Kindergarten geht, sollte man die Eltern auffordern, ihr Kind in den Kindergarten zu geben. Ähnlich wie beim Mutter-Kind-Pass, bei dem man bestimmte Untersuchungen an die Auszahlung der Geburtenbeihilfe geknüpft hat, könnte man hier sagen: Wenn du dein Kind nicht in den Kindergarten schickst, dann bekommst du nur eine reduzierte Familienbeihilfe.

STANDARD: Wie kann man als Minister einen Bürgermeisterwahlkampf führen?

Hahn: Das wird man sehen, wenn es so weit ist. Ich lebe in Wien, ich arbeite in Wien. Da sehe ich überhaupt kein Problem.

STANDARD: Gibt es etwas, wofür Sie sich als Wiener genieren?

Hahn: Na ja, manchmal macht mir die zunehmende Verschmutzung der Stadt etwas Sorgen.Es gibt aber auch intellektuelle Verschmutzungen - etwa, wenn sich Xenophobie breitmacht. Das Schlimmste ist, da wegzuschauen.

STANDARD: Müssen sich da die Wiener Schwarzen nicht auch an der eigenen Nase nehmen?

Hahn: Es sind die Probleme lange Zeit in ihrer letztlich sozialen Schärfe nicht erkannt worden. Wir haben genauso lange geglaubt, dass wir mit gutem Zureden die Dinge lösen könnten. (Marijana Miljkovic und Martina Stemmer, DER STANDARD - Printausgabe, 28. November 2008)