"Wir wissen besser, was dort passiert, als irgendein Analyst in Los Angeles, der noch nie in der Region war", empörte sich Andreas Treichl kürzlich über die Dauerrevision der Einschätzungen für Osteuropa. Dem Kollegen des Erste-Bank-Chefs, Raiffeisen-Pionier Herbert Stepic, geht wiederum das Messer auf, wenn Ratingagenturen die Bonität der Gruppe wegen des hohen Obligos in der Region drücken.

Der Ärger ist verständlich, laufen doch Konjunktur und Kreditgeschäft zwischen Ostsee und Schwarzem Meer trotz herber Dämpfer nach wie vor besser als im Westen. Dass jene "Experten", die nun den Zeigefinger mahnend erheben, bis vor kurzem noch jeden Trippelschritt in Richtung Russland beklatschten, wirft ein fahles Licht auf die Zunft. Doch ändert das nichts an der schwierigen Lage. Kapitalabfluss, Währungsturbulenzen und Konjunkturabschwung sind Realität. Die Verwundbarkeit der Region wegen zum Teil beträchtlicher Handelsbilanzdefizite und Verschuldung in fremder Währung kann nicht wegdiskutiert werden.

Gerade auf diese Ungleichgewichte haben Beobachter immer wieder hingewiesen und wurden dafür von heimischen (Noten-)Bankern getadelt. Den Warnungen des Internationalen Währungsfonds wurde sogar der Anstrich amerikanischer Intrigen gegen das kleine Österreich verliehen.
Das ändert nichts daran, dass die Expansion in den Osten die richtige Entscheidung war und ist. Es hätte freilich nicht geschadet, die Warnungen etwas ernster zu nehmen. Selbst wenn sie aus Los Angeles kamen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2008)