Auf den hölzernen Turm platziert Daniel García Andújar den Server als Herzstück der vernetzten und also zur Kollaboration bereiten Archive.

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Wissen, so meint der spanische Medienkünstler Daniel García Andújar, entstehe nicht mehr durch den Besuch von Archiven wie dem des World Wide Web, sondern durch die Teilhabe an deren Vernetzungen und vor allem deren Interpretation.

In diesem Sinne ist das gesammelte digitale Material von über 250.000 Dateien - von Texten, Audiodateien und Videos -, die der Katalane für "Postcapital. Archive 1989-2001" aus dem Internet saugte, auch unfertig - quasi nur die Basis. Die eigentliche Ausstellung, die Komplettierung seines Projekts, mit dem er auch am ersten katalanischen Pavillon der Biennale Venedig 2009 teilnehmen wird, ergibt sich durch die Nutzung der Materialien, durch Diskussionen und Workshops.

Aber warum "postkapital", gilt die Zeit nach dem Mauerfall 1989 - übrigens auch das Geburtsjahr des Internet - doch allgemein als jene des Postkommunismus? Andújar ändert den Blickwinkel, fragt, wie sich die kapitalistischen Gesellschaften ohne ihr feindliches Gegenüber in den letzten 20 Jahren entwickelt haben. Ein Siegeszug, der kein Garant für Frieden und Stabilität war und auch nicht unbedingt zu mehr Demokratie oder Transparenz in Strukturen geführt hätte.

Der Titel trägt aber auch die "Kapitale" in sich, das lenkt die Perspektive auf die Hauptstädte, also die Machtzentren, die sich mitunter in den letzten Jahren verschoben haben.

Dem Aufforderungscharakter der Ausstellung entspricht auch die Präsentation der Datenfluten in labyrinthischen, Stadtsilhouetten bildenden Raummodulen. Dass Andújar den Server, der den Zugriff auf die Datenarchive ermöglicht, auf einer Art hölzernem Wachturm platziert, darf man getrost symbolisch lesen: Das kollaborativ genutzte Datennetz wird zum demokratischen Kontrollorgan. Man bastele daran getrost mit, aber - hoppla! - beim Glauben an die Kraft des Netzes, kritische Gegenöffentlichkeiten zu etablieren, sollte man auch der stets lauernden Naivität gewahr sein. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.11.2008)