Foto: Kongressheft

Schlankheits- und Silikon-Ikone Barbie ...

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... und Ausdrücke der Schwierigkeit, sich im eigenen Leib wohlzufühlen.

Sie machen eine Diät nach der anderen, schwören auf Light-Produkte, schlucken Schlankheitspillen, schinden sich im Fitness-Studio. Und wenn der Körper sein unterdrücktes Recht mit Essanfällen einfordert, wird anschließend alles wieder erbrochen. Andere essen so gut wie gar nichts mehr und hungern sich langsam zu Tode.

Dem mittlerweile breiten und jährlich anschwellenden Feld der Essstörungen war beim Kongress "Der gemachte Körper - Körperbild(er) zwischen Schlankheitswahn, Schönheitskult, Idealisierung und Natürlichkeit", der am 27. und 28. November im Wiener Rathaus abgehalten wurde, viel Raum gegeben.

Doch auch all die anderen Versuche, den Körper so zu formen, damit er dem rigiden Schönheitsideal möglichst nahekommt - vom übermäßigen Training über Modifikationen wie Piercings, Tätowierungen, Pocketing, Stabeling, Cutting, Branding usw. bis zu chirurgischen Eingriffen, bei denen heute schon jeder Körperteil - von der Nase bis zur Klitoris - mit Skalpell und Silikon modelliert werden kann, wurden in Vorträgen internationaler ExpertInnen und in Diskussionen erörtert.

Im Prinzip ist gegenwärtig und beinahe weltweit nicht nur so gut wie alles möglich, um den Körper nach der idealisierten Form zu gestalten, diese Form ist bereits gesellschaftlich so weit normiert, dass sich eine wachsende Gruppe von Menschen vorstellen kann, ihre Körper zu modifizieren, und sei es mit dem chirurgischen Messer. Der Wunsch nach einem "perfekten Körper" wird zum einen durch die mediale Bilderflut der Oberflächen-Gesellschaft erzeugt und transportiert, und verstärkt sich zum anderen durch das Faktum der Machbarkeit und der kulturell-strukturellen Normierung - nach dem Motto: du könntest mehr aus dir machen, besser aussehen, also tu was, sei nicht so träge!

Botschaften wie diese sind auch an die Überzeugung gekoppelt, mit dem Erreichen des Ideals erfolgreicher, beliebter und glücklicher zu werden, und zeitigen, wie das Zahlenmaterial belegt, enorme Wirkungen.

Zahlen sprechen deutliche Sprache

Alleine in Österreich unterziehen sich Frauen etwa 50.000 Mal im Jahr einer Schönheitsoperation, mehr als 200.000 Mädchen und Frauen hierzulande leiden an Essstörungen, 90 Prozent international befragter weiblicher Personen sind mit ihrem Äußeren unzufrieden und würden zumindest einen Körperteil ändern wollen und in Österreich kann sich ein Viertel der Frauen einen chirurgischen Eingriff vorstellen.
Bei Letzeren fällt auf, dass sie überwiegend aus niedrigen Bildungs- und Einkommensstufen kommen. Dieser Zusammenhang besteht übrigens auch bei den TrägerInnen von Body-Modifications, die sich auffällig oft aus benachteiligten Sozialschichten rekrutieren, wie Erich Kasten in seinem Vortrag über "Schönheit zwischen Schmerz und Scham" anmerkte.

Kevin Thompson belegte in seinen Ausführungen "Body Image - Cross-cultural and Psychosocial Perspectives" anhand einer Studie, dass die Unzufriedenheit mit allen Körperteilen von 1972 bis heute dramatisch angestiegen ist, bei Frauen mehr als bei Männern. Alle Untersuchten wollten darüber hinaus an Gewicht verlieren, Frauen vor allem dünner werden und Männer an Muskelmasse zulegen.

Inwieweit das Körperbild sich im Kontext von Medienbotschaften, Elternhaus und FreundInnen-Umfeld konstruiert, führte Linda Smolak in "Body Image Across the Lifespan: Influences and Implications" aus. Bereits Dreijährige wüssten, dass "Fettsein" schlecht ist und Dicke "böse" seien. Schon im Vorschulalter wäre die Vorstellung von "Schön = Dünn = Perfekt" verankert. In der Pubertät führe dann die Erkenntnis der Unerreichbarkeit des Schönheitsideals zu einem erhöhten Risiko für Depressionen und Essstörungen, das sich mit dem Auszug von zu Hause ab etwa 18 Jahren nur zu oft realisieren würde. Die Kontrolle des Gewichts und in der Folge Erkrankungen an Bulimie steige an und der Glaubenssatz "Schön = dünn = sexy = erfolgreich und beliebt" werde dann vollkommen verinnerlicht.

Bei den über 40-Jährigen sind, so Smolak weiter, dauerndes Diäthalten, Essstörungen, Depressionen und plastisch chirurgische Operationen bereits normal.

Terror der Schönheitsindustrien

"Die Frauen werden bewusst ausgenützt", brachte Susie Orbach, die schon in den 70er-Jahren Bücher zum Thema Essstörungen publiziert hat, ihre Thesen auf den Punkt. Die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers verbreite ein Klima des Terrors, das den Akteuren viel Geld einbringe und den Frauen und ihren Töchtern enorme Probleme mache. Jeder Körperteil müsse nach der Schönheitsnorm geändert werden, sogar die Schamlippen sollen schon bei allen Frauen gleich ausschauen, empörte sie sich. Es sei extrem schrecklich. Die Schönheitsindustrien (Nahrungsmittel- und Diät-Industrie, Pharmaindustrie und Plastische Chirurgie), allen voran die Glamour-Zeitschriften, verdienten sich an der flächendeckenden Verunsicherung von Mädchen und Frauen blöde. Und das passiert sicher nicht unabsichtlich, so Orbach.

Doch außer für diejenigen, die daraus Profit schlagen, bleibt die ersehnte Zufriedenheit, die sich mit einem neu gemachten Körper, dem "perfect body" einstellen sollte, zumeist aus. Denn Glück lässt sich nicht "erschneiden", wie Stadträtin Sonja Wehsely bei der Eröffnung meinte, noch lässt es sich erhungern. Doch was tun, um der steigenden Verunsicherung dem eigenen Körper gegenüber entgegenzuwirken?

Welche Vorschläge zur Prävention von den Vortragenden des Kongresses angedacht wurden, lesen Sie in den nächsten Tagen.
(Dagmar Buchta/diestandard.at, 30.11.2008)