Statt dringend notwendiger Investitionen in die europäischen Hochschulen erwarten Experten Einsparungen am Bildungsbudget. Die Abhängigkeit von Mitteln aus der Wirtschaft, die daraus folgt, ist ein zweischneidiges Schwert.

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Wien / Frankfurt am Main - "Die Finanzkrise könnte auf verschiedenen Ebenen den Bologna-Prozess verstärken", meint Thomas Höhne, Gründer des Instituts für Wissensmanagement und Bildungsberatung in Frankfurt. Durch den Bologna-Prozess stünden die Universitäten nämlich unter einem "marktgetriebenen Regime" - als Indizien dafür führt er die zunehmende Selektivität, Evaluationen und Rankings an. "Durch die persönliche Finanzkrise jedes Studierenden wird der Bologna-Prozess in seiner sozialen Selektivität verstärkt, was durchaus gewollt ist", meint Höhne.

Die Ziele der 1999 unterzeichneten Bologna-Erklärung zur Schaffung eines europäischen Hochschulraumes sind "Förderung von Mobilität, internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit", was die Unis auffordert, unternehmerische Strukturen aufzubauen. Im Zuge des Prozesses wurden Bachelor- und Masterstudiengänge sowie ECTS-Punkte eingeführt.

Dass die Finanzkrise Einsparungen beim Bildungsbudget nach sich ziehe, die dazu führen, dass "immer weniger Leute studieren können", befürchtet Höhne. "Gerade jetzt muss in die Bildung mehr investiert werden", sieht auch Erhard Busek, Wiener Med-Uni-Rat und Rektor der Fachhochschule Salzburg, die Verantwortung beim Staat. Für ihn sind jedoch Studiengebühren ein wichtiger Teil der Uni-Finanzierung.

Drittmittel gefährden freie Forschung

Ob ein Hochschulsystem ohne Studiengebühren zukunftsfähig bleibt, hängt davon ab, welchen Stellenwert die Universitäten für die Politik haben, sagt Höhne. "Betrachtet man die Unis als Unternehmen, dann setzt man auch auf Studiengebühren, weil man den Homo oeconomicus als Idealfigur sieht - den Studierenden, der die Gebühren als eine Investition betrachtet", meint Höhne.

Der Rektor der Wiener Wirtschafts-Uni und Vorsitzende der Universitätenkonferenz, Christoph Badelt, möchte in Österreich die Drittmittelfinanzierung nicht als wichtiges Standbein der Uni-Finanzierung sehen. "Wir glauben, dass der Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre ein gesellschaftspolitisches Anliegen ist, und wir wollen nicht in irgendeiner Weise von kommerziellen Interessen abhängig werden." Deshalb gebe es für den regulären Studienbetrieb auch keine finanziellen Mittel von Dritten. Anders im Forschungsbereich: "Da gibt es Drittmittel, die aus Forschungsförderungsquellen kommen und kompetitiv eingenommen werden."

Die Finanzierung der Unis aus Drittmitteln sieht Höhne weniger problematisch. Die Besetzung der Uni-Räte mit Wirtschaftsspitzen, Sponsoring, Netzwerkinitiativen, private Hochschulgründungen und die direkte Finanzierung von Stiftungsprofessuren sind Kooperationen, denen gegenüber Höhne selbst keine Scheu hegt, "wenn die Grenzen der Einflussnahme klar definiert sind". Für eine völlig unterfinanzierte Uni wäre es allerdings schwierig, ihre Interessen zu behaupten. (Tanja Traxler Julia Wurm/DER STANDARD Printausgabe, 27. November 2008)