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Krise im Wirtschaftswunderland vor den Wahlen. Auch die Preise für landwirtschaftliche Produkte sinken. Rumänische Bauern werfen Politikerpuppen vor dem Parlament in Bukarest zu Boden.

Foto: APA/EPA/Calinescu

Die Wirtschaftskrise bringt sogar lang erprobte Feinde zusammen. Rumäniens Präsident Traian Basescu und sein Lieblingsgegner auf der politischen Bühne, Premier Calin Popescu-Tariceanu traten nach jahrelangem Hickhack vergangene Woche geeint auf: Zur Erhaltung der Arbeitsplätze in der Autoindustrie wurde die Aussetzung der Ökosteuer für Neuwagen für ein Jahr beschlossen.

Zu den Krisenmaßnahmen gehören auch 1000 Euro-Prämien für Unternehmer, wenn sie Arbeitslose für mehr als drei Jahre einstellen, die Verringerung der Krankenversicherungsbeiträge, die Erhöhung der Pensionen und Ermutigungen für Sparanlagen. Basescu und Tariceanu geht es nicht nur um die Arbeitsplätze, sondern auch um die eigene politische Zukunft: Denn kommenden Sonntag finden in Rumänien Parlamentswahlen statt. Statt Streit wird der nationale Schulterschluss gesucht. Sogar die angekündigten Eisenbahnerstreiks wurden bis nach den Wahlen abgesagt.

Denn Rumänien bekommt die Auswirkungen der Finanzkrise viel deutlicher als erwartet zu spüren. Und die Politiker lavieren zwischen Krisenmanagement und Wahlpropaganda. Ende September hieß es noch, die Finanzkrise würde auf Rumänien kaum übergreifen. Und damals teilten Basescu und Tariceanu den - von der seit Jahren überhitzten rumänischen Wirtschaft getragenen - Optimismus noch. Auch der Chef der rumänischen Nationalbank, Mugur Isarescu, war sich sicher, dass das rumänische Bankensystem mit seinen schwachen Fundamenten und der starken Dominanz ausländischer Banken "primitiv" sei und ohnehin durch die Nationalbank genau kontrolliert werden könne.

40 Prozent Kursverlust

Es kam anders. Die Effekte der Finanzkrise blieben nicht aus. Der Wechselkurs des rumänischen Leu erwies sich als äußerst sprunghaft und sank Anfang Oktober gegenüber dem Euro auf den geringsten Wert seit 2004. An der Börse gibt es ebenfalls einschneidende Verluste - die Petrom als größtes börsennotiertes Unternehmen erlitt Aktienentwertungen von 40 Prozent. Stark betroffen sind auch Immobilien- und Autoindustrie, und im Bankwesen wird mit einem weiteren zwei-prozentigen Anstieg der ohnehin mit 15 bis 30 Prozent schon sehr teuren Kreditzinsen gerechnet. Zusätzlich ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von derzeit vier Prozent auf das Doppelte (1,2 Millionen Menschen) abzusehen. 50.000 Menschen wurden bereits als Folge der Krise arbeitslos, da Großunternehmen wie der Autohersteller Dacia-Renault, aber auch die Metall- und Erdölindustrie aufgrund der sinkenden Nachfrage und Preise große Teile ihrer Produktion einstellten.

Obwohl Basescu den Erhalt der Arbeitsplätze in der Großindustrie als erste Priorität der Regierung und als Hauptthema der Koalitionsverhandlungen einer neuen Regierung sieht, versucht er abzuwiegeln. "Die im Fernsehen gezeigte Apokalypse" sei "keineswegs real", sagte er. "Wenn Sie jeden Abend zeigen, dass hier 200, dort 300 Arbeiter freigestellt würden, dann erweckt das den Eindruck eines Desasters." Die Krise koste Geld, aber die rumänische Industrie funktioniere trotzdem. (Laura Balomiri aus Sibiu/DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2008)