Wien - Der Georgien-Krieg vom vergangenen August könnte ein heilsamer Schock für sämtliche Länder des Südkaukasus gewesen sein. Darin stimmten die Teilnehmer einer Diskussion am Montagabend in der Wiener Hauptbücherei (veranstaltet vom Standard und vom Interkulturellen Zentrum, moderiert von Standard-Redakteur Markus Bernath) weitgehend überein.

"Es war eine Lektion für uns alle" , meinte die armenische Journalistin Seda Muradyan, die auch das Institute for War and Peace Reporting in Eriwan leitet. Armenien und Aserbaidschan sollten dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili dankbar sein: Er habe sie mit seinem Vorgehen und den Folgen davon abgehalten, einen weiteren "eingefrorenen" Konflikt neu anzuheizen, jenen um die Enklave Berg-Karabach.
Für den aserbaidschanischen Politikwissenschafter Emin Mili hat der Krieg gezeigt, dass es generell keine militärischen Lösungen für die Konflikte im Kaukasus gibt. Jedenfalls sei Armenien mit seiner starken Russland-Bindung in eine sehr unbequeme Situation geraten.

Muradyan sieht derzeit trotzdem keine Alternative: Das enge Verhältnis zu Moskau sei "Armeniens einziger Weg zu überleben" . Zugleich berichtete die Journalistin von vielfältigen Initiativen zur Überwindung der historischen Konfrontation mit der Türkei. Der Armenien-Besuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül im September wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. (Am Montag sprachen übrigens die Außenminister beider Länder in Istanbul über weitere Schritte zur Normalisierung.)

Für Giorgi Kikalischwili, Direktor einer Jugend-NGO in Tiflis, übt Georgien mit seiner klaren Westorientierung eine Vorreiterrolle in der Region aus - und muss dafür büßen: "Georgien steckt alle üblen Sachen als Erstes ein." Das Land sei noch keine "Superdemokratie" und werde vielleicht erst in 20 Jahren EU-Kandidat sein. Aber die jungen Georgier teilten schon heute die Werte der EU. Botschafter Johannes Eigner vom Wiener Außenministerium räumte ein, es sei untragbar, dass Georgier für ein Österreich-Visum zur Botschaft in Kiew reisen müssen. (jk/DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2008)