Bis zu einer Untergrenze von 15 Prozent kann die generelle Mehrwertsteuer gesenkt werden, ohne EU-Regeln zu verletzen. Der britische Schatzkanzler Alistair Darling hatte zu Wochenbeginn angekündigt, in Großbritannien generell von 17,5 auf 15 Prozent zu senken.

Die EU-Kommission will mit einem Paket von Maßnahmen gegen die Rezession in Europa ankämpfen. Unter den Vorschlägen für die nächsten zwei Jahre finden sich vorgezogene Investitionen in Infrastruktur, aber auch ein Aufruf für eine Senkung der Mehrwertsteuer sowie der Zinsen zur Nachfragesteigerung. Ein Konjunkturpaket soll laut Kreisen 200 Milliarden Euro umfassen.  Nach früheren Angaben ging es um ein Volumen von 130 Mrd. Euro oder ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung.

"Die globale Finanzkrise hat die EU hart getroffen", heißt es in dem Entwurf. Die Eurozone und einige EU-Staaten befinden sich bereits in einer Rezession, und sollten die Regierungen nicht gegensteuern, könnte sich die Situation noch verschlimmern und Millionen Menschen arbeitslos machen. Eine rasche und entschiedene Aktion sei notwendig, um die Negativspirale zu stoppen, betont die EU-Kommission in dem Entwurf.

Eine solche Möglichkeit zur raschen Nachfragesteigerung ist aus Sicht der Brüsseler Behörde eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer: "Die Senkung indirekter Steuern, wie eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer könnte "schnell eingeführt werden und einen starken fiskalischen Impuls zur Nachfragestützung sein", so die Kommission in ihrem Entwurf.

Bis zu einer Untergrenze von 15 Prozent kann die generelle Mehrwertsteuer gesenkt werden, ohne EU-Regeln zu verletzen. Der britische Schatzkanzler Alistair Darling hatte zu Wochenbeginn angekündigt, in Reaktion auf die Finanzkrise die Mehrwertsteuer in Großbritannien generell von 17,5 auf 15 Prozent zu senken. Deutschland, das seine Mehrwertsteuer erst 2007 angehoben hat, hat sich bisher vehement gegen eine Senkung ausgesprochen. Auch Frankreich hat einen solchen Schritt ausgeschlossen.

Synergien nutzen

"Der Plan wird Leitlinien festlegen für einen zeitgerechten, gezielten und befristeten koordinierten fiskalen Anreiz auf nationaler Ebene", sagte EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia am Dienstag in einer Rede in Brüssel. "Wir müssen die nationalen Entscheidungen koordinieren, um Synergien zu nutzen und negative Effekte zu vermeiden.

Neben den Steuersenkungen sieht die EU-Kommission angesichts des gesunkenen Inflationsdrucks auch Raum für Zinssenkungen bei der EZB. Auf der Liste der weiteren Maßnahmen finden sich eine Aufstockung der Mittel der Europäischen Investitionsbank, die vor allem für die Finanzierung von Klein- und Mittelbetrieben günstige Kredite bereitstellen soll. Zudem will die EU-Kommission geplante Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz in der EU vorziehen und dafür auch die (Ko-)Finanzierungsregeln lockern, um zu verhindern, dass es durch die aktuelle Krise zu einer geringeren Nutzung der EU-Kohäsionsfonds kommt.

Stabilitätspaket vernünftig anwenden

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, also die Maastricht-Kriterien, sollen in den nächsten zwei Jahren, in denen die Konjunkturbelebung laufen soll, "vernünftig" angewendet, nicht aber ausgesetzt werden, so die Kommission in dem Papier. Danach sollen die Staaten wieder zum üblichen strengen Schuldenabbau zurückkehren.

Mitte Dezember will die EU-Kommission sogar Leitlinien vorlegen, wie die einzelnen EU-Staaten vorgehen könnten, ohne die Regeln zu verletzen. Nach den sogenannten Maastricht-Kriterien gilt eine Neuverschuldung über drei Prozent als übermäßig und zieht ein Defizitverfahren nach sich. Unter außerordentlichen Umständen ist eine leichte Überschreitung dieser Grenze erlaubt.

Reaktionen

Im ORF-Morgenjournal am Mittwoch begrüßte Fritz Breuss, Professor am Europainstitut der Wirtschaftsuniversität Wien, die zahlreichen unterschiedlichen Konjunkturpakete. Der Staat müsse in dieser Nachfragekrise eingreifen und ausgleichend wirken. Dass nun auf europäischer Ebene nun die EU-Kommission eingreift, das sei einmalig. Es sei noch nie passiert, dass die EU-Kommission einen Vorschlag zur Konjunkturstabilisierung macht. Der Vorschlag von Breuss: Brüssel sollte einen Stabilisierungsfonds für den Fall von Konjunkturkrisen einrichten. Dieser Fonds müsste aus eigenen Steuern, etwa auf Finanztransaktionen oder -spekulationen, gespeist werden. (APA)