Lake Louise - Herzlicher als selbst so mancher Hotelangestellter hat Günter Hujara die Skirennläufer im Teamhotel Chateau Lake Louise begrüßt. Am kommenden Wochenende stehen in den kanadischen Rocky Mountains traditionell die ersten Speed-Weltcuprennen der Saison 2008/2009 an. Aber im Jahr eins nach Matthias Lanzingers schwerem Unfall sind keine Dissonanzen zwischen den Aktiven und dem Chef-Renndirektor der FIS zu spüren.

Hujara ist seit mehr als 30 Jahren im Weltcup tätig und Kummer gewöhnt. Als Hauptverantwortlicher für die Sicherheit auf den Rennpisten steht der 56-jährige Deutsche seit 1993 und damit 15 Jahren im Auftrag der FIS bei Herrenrennen von Sonnenauf- bis -untergang auf der Piste, arbeitet oft bis tief in die Nacht hinein. Im Rampenlicht steht Hujara aber meist nur, wenn etwas schiefgegangen ist. Wie 2001 beim Unfall des heute querschnittgelähmten Silvano Beltrametti in Val d'Isere. Wie zuletzt nach dem Super-G vergangenen März in Kvitfjell, bei dem Lanzinger seinen Unterschenkel verlor.

Die Abfahrt am kommenden Samstag gegenüber dem Romantik-Hotel am Louisensee mitten im Banff-Nationalpark ist die erste seit jenem verhängnisvollen Wochenende in Norwegen. Der Österreicher hat die FIS mittlerweile auf Schadenersatz geklagt. Während der FIS-Angestellte Hujara wegen des laufenden Verfahrens dazu schweigen muss, wird in der Klagsschrift aber ausschließlich der Transport und die Operation nach dem Unfall inkriminiert. Was Hujara als Hinweis versteht, dass auf der Piste selbst keine Fehler passiert sind.

Dessen ungeachtet hat die FIS über den Sommer ihr Sicherheitskonzept intensiv überprüft. Profile von Abfahrtsstrecken wurden überarbeitet und z.B. die Kante beim Ziel-S in Wengen abgetragen. Die Läufer dürfen in der Abfahrt nun auch im Arm- und Beinbereich sowie an Knie und Schultern harte Protektoren benutzen. Die Helikopter sind nun klarer definiert als Rettungshubschrauber mit zumindest Bergrettungsausrüstung an Bord.

Laut Hujara sind aber selbst das keine unmittelbaren Folgen des Lanzinger-Sturzes. "Denn daran arbeiten wir seit Jahren." Bewusster geworden sei hingegen die äußere Sensibilisierung für das, was im Skirennsport immer passieren kann. "Alle Sportarten mit hohem Tempo tragen das Risiko eines Sturzes mit schweren Verletzungsfolgen in sich. Selbst wenn wie bei Lanzinger keine äußeren Einflüsse da waren, als dass die Bindung nicht ausgelöst hat. Wir werden deshalb weiterhin alles tun, was bei Rennen die größtmögliche Sicherheit gewährleistet", sagte Hujara gegenüber der APA in Kanada.

Hujara ist umgekehrt aber auch zu lange im Job, um über die Probleme nicht genau Bescheid zu wissen. "In der Formel 1 gibt es permanente Rennstrecken mit Sturzräumen. Wir müssen hingegen unser Spielfeld praktisch jeden Tag neu bauen", ist es dem Schwarzwälder ein Anliegen, zu erklären, dass der Freiluftsport Skifahren alleine schon durch das Wetter tägliche neue Herausforderungen bringt.

Dennoch habe man trotz der immensen Kosten in den vergangen zehn Jahren einen Sicherheits-Standard erreicht, der früher unvorstellbar gewesen sei. Aber man könne den Berg natürlich nicht in Watte einpacken, damit die Läufer nur noch den Kopf zwischen die Arme nehmen brauchten. Die Läufer hätten vielmehr eine gewisse Selbstverantwortung, seien mündige Athleten. Hujara: "Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Das wissen die Läufer auch, wenn sie oben abstoßen. Ein Unfall wie der von Lanzinger kann immer passieren."

Hujara ärgern deshalb Aussagen wie jene von Bode Miller. Der Weltcup-Titelverteidiger aus den USA hatte vergangenen Oktober kritisiert, dass selbst Tote nicht ausreichen würden, um Sicherheitsstandards bei Rennen zu erhöhen. "Eine dumme Aussage. Bode ist ein intelligenter Kerl und weiß ganz genau, dass das nicht stimmt", so Hujara. Alle Beteiligen wüssten, dass sie in einem Boot säßen. "Wir sind wie eine Familie. Es ist keine Welt, in der man sich gegenseitig zerfleischt."

Der Lehrer für Sport und Geographie ist sich seiner immensen Verantwortung bewusst und auch noch nicht jobmüde, obwohl er sich manchmal wie ein Fußballschiedsrichter fühlt. "Auch die werden jedes Wochenende zum Freiwild erklärt. Aber jemand muss den Job tun, warum nicht ich", machte der zweifache Familienvater aus dem Schwarzwald klar, dass er dieses Geschäft trotz aller Risiken - "Bei uns darf man keine Sekunde in Routine verfallen" - weiterbetreiben wird. Bis zu dem Tag, an dem er sich nicht mehr sicher sei, alles möglichst perfekt erledigen zu können. "Dann sage ich als Erster: 'Schluss, es muss ein anderer her.'" (APA)