Endlich haben wir ihn, den Kriminalfall des Jahres. "Österreich" hat ihn am Sonntag auf der Titelseite ausgerufen, aber schon auf Seite 8 wieder zurückgenommen: Reden wir von einem Kriminalfall? Nein, von einer Liebesgeschichte, über den Tod hinaus. Also was jetzt? Das Blatt kann sich vor lauter Überinformiertheit einfach nicht entscheiden. Hieß es auf Seite 1: Geheim-Akte Flick - So wurde sein Sarg gestohlen, fand sich auf Seite 8 die Fortsetzung der Geheim-Akte: Ingrid Flick (48) lässt sich ihren Friedrich Karl nicht von ein paar Schurken stehlen.

Daneben als ergänzende Illustration: Die Grabschänder: So klauten sie den Flick-Sarg. In drei Etappen rekonstruierten Fellners Spezialisten für Grabräuberei haarklein, wie es gekommen sein musste, dass sich Ingrid Flick ihren Friedrich Karl nicht von ein paar Schurken stehlen ließ. Sie konnten dabei nicht umhin, die Professionalität der Sargräuber zu bewundern, als wären sie dabei gewesen: Die Täter hatten gute Nerven. Sie zogen den Raub in zwei Stunden durch, kümmerten sich nicht um Friedhofsbesucher. Und: Logistisch war alles eine Meisterleistung.

Dieses etwas verspätete Lob konnte das Blatt nur dank einer pensionierten Hauptschuldirektorin aussprechen. Zwei Tage blieb es ein Rätsel, wie und wann die Grabräuber zugeschlagen haben. Dann meldete sich eine Augenzeugin bei ÖSTERREICH. Wo sonst? Sie konnte zwar nichts über die guten Nerven der Täter berichten, will aber einen weißen Kastenwagen gesehen haben, sowie: Die Täter sahen aus wie normale Grabarbeiter - und fielen so nicht auf. Was gute Nerven jedenfalls nicht ausschließt und die logistische Meisterleistung erklärt.

Jetzt bleibt nur noch die Lösegeldfrage zu klären - ja oder nein? Der "Kurier" zitierte Montag einen Insider mit dem Satz: "Es gibt keine Lösegeldforderung". Auf den hatte "Österreich" aber schon zwei Tage zuvor einen anderen Insider auf Seite 1 entgegnen lassen: Flick-Entführer verlangen Lösegeld. Einem Fellner kann man eben nichts vormachen, auch wenn es auf Seite 4 dann nur noch hieß: Sarg wie vom Erdboden verschluckt - 5 Millionen Euro für die Leiche von Flick? Das in dem Fragezeichen steckende Misstrauen erscheint aber unberechtigt, hatte "Österreich" doch einen ausgewiesenen Experten für Lösegeldforderungen zu bieten. Der Veldener Tourismusreferent, Markus Kuntaritsch, ist bereits felsenfest überzeugt, dass eine Entführung vorliegt: "Meiner Einschätzung nach verhandelt die Familie still und heimlich, möglicherweise sogar hinter dem Rücken der Polizei mit den Kidnappern." Dass sich die beraubte Witwe nach all dem Aufwand, mit dem "Österreich" die Geheim-Akte Flick aufgeschlagen hat, an die "Bunte" wandte, um die Entführer zur unversehrten Rückgabe von Sarg und Leichnam aufzufordern, muss nicht Undank sein, auch Trauer kann manchmal blind für wahre Verdienste machen.

Diese äußerten sich auch in einer E-Mail des Blattes an die Sg. Knochenjäger des verlorenen Schatzes mit der Kurzbotschaft Ihr seid unterirdisch! und der etwas längeren: Ihr (mutmaßlichen) Nacht- und Nebel-Granaten der miesesten, ja buchstäblich unterirdischen Kriminalität, seid nicht einmal eine Fußnote im Geschichtsbuch der Gaunerei. Aus Eurem Flick-Werk quasi "totes Kapital" zu schlagen, ist so tollkühn als täte man, wie es in Wien heißt, einem alten Mann von hinten ein Zuckerl in den Rauschebart picken. Pfui bravo!

Aber was schreibt man der Witwe? Am besten, man folgt dem Psychotherapeuten der "Krone", Michael Jeannée. Liebe Ingrid Flick, Grabräuber und -schänder sind das Allerletzte! Weil die Ruhe der Toten etwas Unantastbares und Heiliges ist. Aber: Tot ist tot, endgültig und bis in alle Ewigkeit, und das, liebe Ingrid, sollte Ihnen, der Milliardärswitwe, der man den Gatten aus seiner Gruft "entführt" hat, die Kraft und den Mumm geben, die niederträchtigen Leichenfledderer das Folgende beinhart wissen zu lassen: Ich, Ingrid Flick, denke nicht daran, auch nur einen einzigen Cent Lösegeld an die Bagage zu zahlen, die meinen Friedrich Karl jetzt in ihren dreckigen Händen hat.

Vielmehr möge die liebe Ingrid zunächst einmal eine Million für denjenigen lockermachen, der ihn mir wiederbringt, und so lange steigern, bis mein Mann wieder in seiner Gruft ruht. Da würde man bald sehen, wie das Toxikum Misstrauen die Tage und Nächte der Bande vergiften würde und das Objekt ihrer schändlichen Tat zu einem tonnenschweren Mühlstein werden ließe. Was täten Milliardärinnen ohne Jeannée? (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 25.11.2008)