Die patentierte Erfindung eines Wiener Kiefer- und Gesichtschirurgen ermoeglicht den "Sofort-Ersatz" eines extrahierten Zahns. Dabei wird das Implantat als "Nachbau" des entfernten Zahnes gestaltet.

Foto: Wolfgang Pirker

Wien - Implantate haben in den vergangenen 25 Jahren den Zahnersatz revolutioniert. Daraus ist ein riesiger Markt für die Implantat-Industrie - auch für die beteiligten Zahnmediziner - entstanden. Die patentierte Erfindung eines Wiener Kiefer- und Gesichtschirurgen soll jetzt aber den "Sofort-Ersatz" eines extrahierten Zahns schonender und von Beginn an individueller ermöglichen. "Es gibt schon rund vier Jahre guter Erfahrung", erklärte Wolfgang Pirker.

"Zähne sind nicht rund"
Der Experte ist auf diesem Gebiet bereits seit etlichen Jahren tätig. Was ihn an der Implantologie immer störte: "Die menschlichen Zähne sind nicht annähernd rund. Wir aber bohren für ein Zahnimplantat mit einem Bohrer runde Löcher und stecken genormte runde Stifte hinein. Und dann wird höchst aufwändig eine individuelle Zahnkrone angefertigt."

Dazu kam ein Manko, das seit vielen Jahren hinderlich ist: Das nach der Zahnentfernung vorhandene Knochenloch konnte wegen der fehlenden Passform mit einem genormten runden Implantat meist nicht versorgt werden. Nach der Entfernung eines kaputten Zahnes musste erst einmal abgewartet werden, bis die Wunde verheilt wurde - und dann wurde erst recht wieder gebohrt, gefräst und implantiert.

Schonende Extraktion

Pirker erdachte eine vom Prinzip her logische und einfache Lösung. Der kaputte Zahn wird möglichst schonend extrahiert. Die Zahnwurzel wird von einem Laser dreidimensional gescannt. Nach dieser Vorlage und dem Optimieren der Oberfläche wird das Implantat aus einer hoch festen Keramik (Zirkondioxid) gefräst. Schon am Tag nach der Extraktion kann der Patient das maßgeschneiderte Implantat erhalten. Acht bis zwölf Wochen später kann jede herkömmliche Krone aufgesetzt werden.

Kostengünstigeres Verfahren

Der Fachmann: "Das ist einfacher und minimal-invasiv. Das Implantieren dauert nur fünf Minuten. Der Kieferknochen wird dabei nicht durch Adaptionsarbeiten zusätzlich geschädigt. Das lässt auch den Sofort-Ersatz von Backenzähnen mit zwei oder drei Wurzeln zu. Mit der Methode ist es erstmals gelungen, die verloren gegangene Zahnwurzel sowohl anatomisch als auch farblich exakt nachzubilden und verlässlich zum Einheilen zu bringen." An sich müsste das Verfahren auch kostengünstiger als die bisherigen genormten Implantate sein, bei denen die einzelnen Erzeuger ganze Kataloge von Einzelteilen zur Auswahl produzieren und bereitstellen um letztendlich doch "individuelle" Lösungen anbieten zu können.

"Reverse Engineering"

Ein Patent für die Methode - im Speziellen, wie man die Implantate durch "Retentionen" (kleine Erhebungen) so gestaltet, dass sie in der Einheilungsphase möglichst gut fixiert sind - hat der Wiener Kieferchirurg Wolfgang Pirker in Österreich seit 5. Oktober 2005 und daraufhin in weiteren 68 Ländern zum Patent eingereicht. Eine erste wissenschaftliche Arbeit des Kieferchirurgen ist mit Co-Autorschaft des nunmehr in Innsbruck tätigen Herzchirurgen und Stammzellspezialisten Alfred Kocher Anfang diesen Jahres im "International Journal of Oral & Maxillofacial Surgery" erschienen.

Vom Original zum Implantat

Jetzt arbeitet Pirker mit einer Wiener TU-Diplomandin an einem System, wie man die dreidimensionalen Daten des extrahierten Zahnes über ein Computerprogramm automatisch als Datengrundlage der Fräse für das Implantat verwenden kann. Der Kieferchirurg: "Das System funktioniert sozusagen als 'Reverse Engineering'. Wir schaffen nicht künstlich einen Bauplan und konstruieren dann danach das Implantat, sondern wir nehmen das Original, also den extrahierten Zahn, leiten aus ihm den Bauplan ab, den wir dann oberflächenmäßig für eine rasche Einheilung optimieren und produzieren mit ihm das Implantat. Eigenartig ist für den Wiener Experten, dass sich noch kein Industriepartner gefunden hat. Aber das neue System würde eben die Welt der existierenden genormten Zahnimplantate ziemlich erschüttern ...

Das neue System sei durch die individuelle Form und individuelle Oberflächengestaltung optimal an die vorhandene Anatomie und Biologie des Kieferknochens angepasst, meint Pirker. Denn die Implantologie wäre am Beginn ihrer Entwicklung vom "Greisen-Kiefer" ohne Zähne ausgegangen. Bei den Betroffenen ist der Kieferknochen durch die mangelnde Belastung stark abgebaut. Da kommt man ohne Bohren und ohne Aufbau des Knochens weiterhin nicht aus. Bei der "Sofort-Implantologie" ist das aber nicht der Fall.  (APA/red)