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Auch für das Abkommen wird demonstriert: Schiitische Frauen in Bagdad auf der Straße.

Foto: AP Photo/Khalid Mohammed

Iraker lieben Symbolik. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass Tausende nach den Freitagsgebeten zum Firdous-Platz in Bagdad strömten, wo am 9. April 2003 die Statue von Saddam Hussein vom Sockel gestürzt wurde. Jaafar war damals dabei, als die Menge den Amerikanern zujubelte. Und nun demonstriert er gegen die Amerikaner. „Ok, sie haben uns von Saddam befreit", sagt er, „aber jetzt sollen sie gehen."

Wie Jaafar denken heute die meisten Iraker. Auch die Schiiten, deren Vertreter mehrheitlich die Regierung stellen, haben sich immer mehr gegen die USA ausgesprochen, obwohl Washington sich von ihnen uneingeschränkte Unterstützung erwartete. „Die Amerikaner haben zu viele Fehler im Irak gemacht", erklärt Jaafar seine Abneigung, „und wir kleinen Leute müssen dafür büßen". Der 25-Jährige ist Schiit und Anhänger von Muktada al-Sadr, der am Freitag Tausende auf die Straßen brachte. Sie lehnen das Abkommen zwischen Bagdad und Washington ab, über das das irakische Parlament heute, Montag, abstimmen soll. Präsident Jalal Talabani und seine beiden Stellvertreter, deren Unterschrift die Rechtsgültigkeit der Vereinbarung bedeutet, wollen dem Votum der Volksvertreter folgen.

Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist bereits die vierte Fassung des „Sofa" (Status of Forces Agreement, Truppenstationierungsabkommen), welches das UN-Mandat für die Präsenz der US-Truppen im Irak ablösen soll, das Ende des Jahres ausläuft. Die Verhandlungen begannen im April, jetzt ist es endlich im Parlament.
Allen voran die Sadristen sperren sich, am Mittwoch schlugen Muktada al-Sadrs dreißig Abgeordnete lautstark Protest. Minutenlang klopften sie mit ihren Aktenordnern auf die Tische und störten die Sitzung. Als Parlamentspräsident Mahmud al-Mashhadani die zweite Lesung aufgrund der Störmanöver auf den nächsten Tag verschob, hatten viele Abgeordnete bereits den Saal verlassen.

Sunniten wollen Referendum

„Wir wollen ein Referendum über das Abkommen", fordert der Parlamentarier Saleem Aljbori im Gespräch mit dem Standard. Er ist Sprecher des Tawafuk, des größten sunnitischen Blocks im Parlament. Seine Leute werden am Montag dagegen stimmen, ist er sicher. Auch andere haben sich dem Protest der Sadristen angeschlossen, wenn auch mit unterschiedlichen Argumenten. Den einen sind die drei Jahre bis zum US-Abzug zu lang, für die anderen geht die bedingte Aufhebung der Immunität für Soldaten und Sicherheitsfirmen nicht weit genug. Wieder andere kritisieren ein Abkommen mit den USA schlechthin und wollen das UNO-Mandat verlängert haben.
Vor Montag wurde damit gerechnet, dass etwa 120 von 275 Abgeordneten dagegen stimmen werden. Es reicht eine einfache Mehrheit. Die Haltung der Abgeordneten spiegelt auch die Meinung in der Bevölkerung wider. Die irakische Nachrichtenagentur „Aswat al-Iraq" fragte knapp tausend Iraker: 59 Prozent positiv, 41 Prozent negativ. Für die Regierung wäre eine nur knappe Zustimmung des Parlaments eine Niederlage, denn sie hat das „Sofa" mit nur einer Gegenstimme verabschiedet. Premier Nuri al-Maliki hatte den Amerikanern immerhin eine Konzession nach der anderen abgetrotzt. (Birgit Svensson aus Bagdad, DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2008)