Im selben Verein, aber mit unterschiedlichen Philosophien: Russell Crowe und Leonardo DiCaprio in "Body of Lies".

 

 

Foto: Warner

... - und hat mit Russell Crowe den hartnäckigsten Widersacher dennoch in den eigenen Reihen.


Wien - Klick, klick, klick. Das Satellitenbild rückt immer näher an die Erde heran. Auf jeden beliebigen Schauplatz des "Kriegs gegen den Terror" ist das panoptische Auge gerichtet und liefert Informationen für den strategischen Verlauf der Operation. Die Aushebung einer Terrorzelle irgendwo in der jordanischen Wüste gerät auf diese Weise zum vertrackten Kommunikationsmanöver. Die Befehlskette verläuft durch den Datenstrom. Eine virtuelle Schlacht mit äußerst körperlichen Folgen: Nicht nur die Knochensplitter, die dem Agenten später aus der Haut entfernt werden müssen, sind echt.

Body of Lies (Der Mann, der niemals lebte) ist ein weiterer Versuch Hollywoods, die geopolitischen Szenarien neuerer Kriege für das Unterhaltungskino auszuschlachten. In den USA von manchen als "terror porn" verunglimpft, erweitern Filme wie Rendition, The Kingdom oder der vielschichtigere Syriana das Arsenal traditioneller Spionagefilme um zeitgenössische Versatzstücke, die wie Symptome aufscheinen: Keiner dieser Filme kommt ohne obligatorische Folterszenen in nackten Gemäuern, den spekulativen Nachstellungen von Terrorakten und eben auch einer unverhohlenen Faszination für den technologischen Anteil an der US-Kriegsführung aus.

Mit Regisseur Ridley Scott hat man für Body of Lies jemanden verpflichtet, der sich auf die markige Ästhetik gebrochener Heldenepen bestens versteht. Im Jahr 2002 hat er mit Black Hawk Dawn am Beispiel Somalia schon den ultimativen Film über desaströs verlaufende "humanitäre" Einsätze gedreht. Waren dort noch der US-Soldat und seine Verwundbarkeit das zentrale Problem, so geht es nunmehr um Geheimoperationen, die einem wendigen, an Bin Laden angelehnten Feind gelten, der die Öffentlichkeit nur über Videobotschaften erreicht. Al-Saleems (Alon Aboutboul) Wirken lässt sich an den Verwüstungen ablesen, die er in europäischen Städten provoziert.

Body of Lies verlegt die Front in den Nahen Osten, dort liegt das Einsatzgebiet von CIA-Agent Roger Ferris (Leonardo DiCaprio). Die zentrale Frage des Films lautet, wie sich der Feind überhaupt noch aufstöbern lässt - die Übermacht an technologischen Mitteln ist im Gewusel orientalischer Städte keine große Hilfe, Terroristen bevorzugen altmodische Kommunikationsmittel. Ferris' Plan besteht nun darin, Al-Saleem durch Konkurrenzdruck aus der Reserve zu locken: Er erfindet ein neues Terrornetzwerk, indem er Daten manipuliert, Konten transferiert und sinistre Chatrooms einrichtet.

Übersicht schadet nicht

William Monahans (The Departed) Drehbuch (nach dem Roman des Washington Post-Kolumnisten David Ignatius) erweist sich als einigermaßen geschickt darin, die komplexen Vorgänge so aufzubereiten, dass man sich darin nicht verirrt. In einem Film über asymmetrische Kriege schadet das nicht. Das zentrale Hindernis erhält Ferris allerdings in seinem eigenen Vorgesetzten Ed Hoffman, den Russell Crowe ein wenig mit dem verschleppten Gleichmut des späten Marlon Brando spielt.

Hoffman ist meistens daheim in den Staaten zu sehen, wo er etwa seinen Sohn zur Toilette begleitet, während er dem Mann in Amman übers Headset Anweisungen erteilt. Er ist ein virtueller Technokrat im Unterschied zum Infanteristen Ferris, ein "Bad American", der doppelgleisig agiert.

Die Fehden zwischen den beiden Helden bereiten Vergnügen. Body of Lies will aber nicht nur als Genrefilm funktionieren, sondern immer etwas mehr, etwa auch politisch glaubwürdig bleiben - und verliert sich darüber immer wieder an Nebenschauplätzen mit ärgerlichen Klischees, die das Geschehen unnötig aufblähen. Vielleicht handelt es sich bei diesen "Counterterror"-Filmen aber ohnehin um ein Auslaufmodell: Mit dem Abtritt von George W. Bush sollte ja auch der Seismograf in Hollywood neue Wellen orten.(Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./3.11.2008)