Washington - Kenny Coffin weiß schon genau, was er mit dem ersten selbst verdienten Geld anfangen wird: "Ich werde meiner Cousine ein Geschenk zu ihrem ersten Geburtstag kaufen", sagt der Elfjährige. Kenny trägt weder Zeitungen aus, noch hilft er alten Damen beim Einkaufen - er verdient sich Geld mit guten Schulnoten. Alle zwei Wochen will seine Schule im armen Washingtoner Stadtviertel Shaw künftig die Leistungen der Buben und Mädchen mit einem Scheck belohnen.

140.000 Dollar

"Wollt ihr alle Geld verdienen?", fragt Bürgermeister Adrian Fenty die Kinder, die sich zur ersten Scheckübergabe in der Schulturnhalle versammelt haben. "Jaaaaa!", schmettern ihm die Schüler entgegen. Insgesamt knapp 140.000 Dollar (111.625 Euro) stehen für das Pilotprojekt an 15 Schulen der Stadt zur Verfügung. Nach einem Tabelle werden Noten und Betragen der Kinder in Geld umgerechnet, maximal 100 Dollar (79,7 Euro) können Musterschüler alle zwei Wochen mit nach Hause nehmen.

Die Stadt Washington und das "Labor für Innovationen in der Bildung" der Universität Harvard finanzieren das zunächst auf ein Jahr begrenzte Vorhaben zu gleichen Teilen. Ihr gemeinsames Ziel: das Leistungsniveau in den Schulen anzuheben. Bei einer landesweiten Studie des nationalen Statistikamtes im vergangenen Jahr schnitten die öffentlichen Schulen in Washington in Mathematik und Lesen am schlechtesten ab.

"Als ich Schüler war, bin ich irgendwann nicht mehr hingegangen und hab stattdessen auf der Straße gearbeitet. Damit ihr diese Entscheidung nicht treffen müsst, haben wir dieses Programm eingerichtet", erklärt der Harvard- Professor Roland G. Fryer den Kindern in der Turnhalle. Dort, wo sie aufwachsen, gibt es nur wenige Menschen, die durch Lernen erfolgreich wurden; kaum Vorbilder, die die Buben und Mädchen motivieren könnten. Deshalb seien sie auf die Idee mit den Schecks gekommen, sagt der Wirtschaftswissenschafter.

Anreiz besonders für Wenigverdiener

Den Schulleiter überzeugt das Konzept. Da die Eltern wenig verdienten, könne das von der Schule ausbezahlte Geld wirklich ein Anreiz sein. Bereits kurz nach Beginn des Projekts habe sich die Anwesenheit in den Klassen verdoppelt, freut er sich. "Ich habe hart gearbeitet, um gute Noten in Geschichte zu haben", sagt die 13-jährige Dominique Watson. Auch der gleichaltrige Jay Carson hat sich von der versprochenen Belohnung anspornen lassen: "Letztes Jahr habe ich immer geschwatzt, im Flur gespielt und rumgealbert. Das mache ich jetzt nicht mehr so oft."

Als der Bürgermeister und der Wirtschaftsprofessor ihre Reden gehalten haben, werden die ersten Schecks verteilt. 90 Prozent der Schüler erhalten Geld, im Schnitt 43 Dollar (34,3 Euro) pro Kind. Doch ein Computerfehler verdirbt den Buben und Mädchen die Freude ein wenig: die Teilnahme am Unterricht und das Betragen wurden nicht wie geplant für die Berechnung der Summe berücksichtigt.

"Am Anfang war ich ein bisschen enttäuscht, aber dann hat uns ein Lehrer erklärt, was passiert ist", sagt Kenny, der mit 56 Dollar (44,6 Euro) belohnt worden ist. Hätte der Computer sich nicht verrechnet, hätten ihm sogar 80 Dollar (63,8 Euro) zugestanden. Andere sind fast leer ausgegangen: "Einer hat nur zwei Dollar (1,59 Euro) bekommen, dabei hatte er sich angestrengt, sich am Unterricht zu beteiligen", erzählt Kenny. Die Kinder hoffen nun auf den nächsten Scheck, wenn sich auch ihr Engagement und gutes Benehmen auszahlen werden. (AFP)