Der Patientensimulator iStan soll die Mediziner-Ausbildung revolutionieren. Im Augenblick trainieren die Ärzte des Skiverbands mit ihm.

Foto: Markus Peherstorfer

Herbert Resch, Rektor von Salzburgs medizinischer Privatuniversität, müht sich mit einem offenen Schienbeinbruch ab - er ist zum Glück aus Gummi.

Foto: Markus Peherstorfer

Salzburg - "Ja, ja, in fünf Minuten wird's besser" - Herbert Resch ist leicht gestresst. Der Rektor der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg, langjähriger Primar am Landeskrankenhaus, hat es mit einem besonders ungeduldigen Patienten zu tun. "Ah, mei Fuaß duad so weh!", krächzt der ihm entgegen. Nicht zu Unrecht: Am Unterschenkel des Patienten klafft eine unangenehm aussehende Wunde - ein offener Schienbeinbruch.

Gummipatient um 40.000 Euro

Beruhigend für Resch: Die Wunde kann auch einfach abgenommen werden - es handelt sich um einen künstlichen Hautstreifen aus Gummi. Und auch sonst kann wenig passieren. Der Rest des Patienten besteht nämlich ebenfalls aus Gummi - gefüllt mit jeder Menge Elektronik. Was Resch so stolz vor Journalisten präsentiert, nennt sich iStan und kostet 40.000 Euro pro Stück. Es handelt sich um das weltweit modernste kabellose Trainingsmodell für die medizinische Ausbildung.

Simulator erkennt Injektionen

Fast alles, was ein Mensch an Körperfunktionen hat, kann auch der Simulator: Er atmet ein und aus, seine Pupillen weiten sich und ziehen sich zusammen, seine Augen öffnen und schließen sich. Herzschlag, Atmung und Verdauung sind hörbar, Hautveränderungen sichtbar. Auch Injektionen sind möglich - die Software erkennt über 60 Medikamente und simuliert ihre Wirkungen. Entwickelt wurde das Gerät von der US-amerikanischen Firma METI für die Armee.

Österreich-Premiere

"Die PMU ist die erste medizinische Universität Österreichs, die ein Simulationszentrum einrichtet", sagt Anästhesist und Intensivmediziner Nikolaus Hofmann. Er leitet auch die ersten Kurse an den neuen Simulatoren. Zum Zug kommen dabei zunächst die etwa 80 Ärzte im Team des Österreichischen Skiverbands (ÖSV). Sie sollen im Ernstfall gerüstet sein, sagt Hofmann: "Die Ärzte müssen im Fall des Falles einmal im Jahr eine Narkose machen - die machen das sonst nie. Mit dem Simulator haben wir die Möglichkeit, das zu üben."

Behandlungsfehler sind erlaubt

Großer Vorteil von iStan gegenüber anderen Patientensimulatoren: Er funktioniert kabellos und ist mobil. Auch ein Training unter Realbedingungen wäre möglich - etwa auf einem steilen, eisigen Hang im Schneesturm oder bei blendendem Sonnenschein. Atemwegssicherung, Schmerztherapie und Logistik stehen im Vordergrund des Kurses, den die ÖSV-Ärzte in Salzburg absolvieren. Alle Eventualitäten der Notfallversorgung könnten mit der lebensgroßen Puppe trainiert werden, sagt Rektor Resch: „Man kann auch bewusst Fehler einbauen, um das Teamwork dann zu koordinieren und zu optimieren."

Auch Studenten sollen an den Simulator

Auch in das ganz normale Medizinstudium an der PMU soll das Training am Simulator bald mit einbezogen werden, kündigt Resch an. Im Moment sei das Simulationszentrum an der Privatuni aber noch im Aufbau. iStan müsse nicht zwangsläufig einen durchtrainierten Athleten simulieren, sagt Kursleiter Hofmann: „Er ist verwandelbar. Das trifft jetzt auf den ÖSV nicht zu, aber wir können auch einen 70-jährigen Herzinfarktpatienten aus ihm machen."

Gummipuppe redet auch zurück

Sogar die Arzt-Patient-Kommunikation lässt sich mit der Puppe trainieren: Ein Assistent in einem anderen Raum kann mittels Funkverbindung dem Gummipatienten seine Stimme leihen. Die gesamten Trainingseinheiten werden auf Video aufgezeichnet und danach analysiert. Patientensimulatoren würden in der medizinischen Ausbildung bald so selbstverständlich sein wie Flugsimulatoren bei den Piloten, glaubt Hofmann: „Ich glaube nicht, dass in fünf Jahren Anästhesie noch so gelehrt wird, wie ich das erlebt habe." (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 20.11.2008)