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In Großbritannien geraten Freier schon bald unter Druck: mit einer Geldstrafe und einem Eintrag ins Strafregister.

Foto: AP/ Claudio Bresciani

Die britische Innenministerin Jacqui Smith will die Prostitution eindämmen, indem sie die Freier stärker unter Druck setzt. Erstmals wird deshalb bezahlter Sex mit "ausgebeuteten Personen" unter Strafe gestellt; neben einer saftigen Geldbuße droht den Sexkunden auch ein Eintrag ins Strafregister. Unwissenheit über die persönlichen Umstände der Prostituierten soll nicht als Entschuldigung akzeptiert werden.

Freier unter Druck

Regierungsangaben zufolge arbeiten 80 Prozent der rund 80.000 Prostituierten auf der Insel entweder für einen Zuhälter oder organisierte Menschenhändler. "Männer sollten es sich zweimal überlegen, ehe sie für Sex bezahlen", fordert Smith.

Die Innenministerin hatte in den vergangenen Monaten Staatssekretäre zum Erfahrungsaustausch nach Schweden und in die Niederlande geschickt. Während in dem skandinavischen Land die Bezahlung für sexuelle Handlungen generell unter Strafe steht, haben die Niederländer die selbstverantwortliche Prostitution weitgehend entkriminalisiert. Die Legalisierung sogenannter Mini-Bordelle, in denen höchstens zwei Frauen arbeiten, lehnt die Regierung aber ebenso ab wie das schwedische Modell, für das es in Großbritannien "keine Unterstützung" gebe, wie Smith am Mittwoch der BBC sagte.

Prostituierte gegen Vorschlag

Bisher ist auf der Insel die Prostitution selbst straffrei; Zuhälterei, der Betrieb eines Bordells und das Herumlungern am Straßenstrich hingegen steht unter Strafe, wird aber von der Polizei oft nur zögerlich verfolgt. Dem Maßnahmenpaket der Regierung zufolge soll sich dies ändern. Wer wissentlich Sex von einer "ausgebeuteten Person" kauft, riskiert in Zukunft eine Anklage wegen Vergewaltigung.

Die Briten registrieren mit besonderer Sorge die zunehmende Zahl von Ausländerinnen, die von Menschenhändlern zur Prostitution in britischen Bordellen gezwungen werden. "Wir können die Ausbeutung nicht bekämpfen, wenn wir nicht der Nachfrage Einhalt gebieten", argumentiert Smith. Rund 25.000 der "modernen Sklavinnen" gebe es in Großbritannien. Diese Zahl halten Experten wie die Nottinghamer Soziologie-Professorin Julia O'Connell Davidson für eine "groteske Überschätzung". Zwar seien Ausbeutung und Gewalt im Sexgewerbe zweifellos an der Tagesordnung, argumentiert die Professorin: "Aber nur bei einer Minderheit der Fälle geht es um erzwungene Prostitution."

Der Gesetzesvorstoß der Innenministerin soll Anfang Dezember offiziell im Parlament verkündet werden. Das Englische Prostituiertenkollektiv (ECP) mobilisiert jetzt gegen die Pläne der Regierung, die Vorstellungen "religiöser und feministischer Fundamentalisten" entsprächen. ECP-Sprecherin Nikki Adams beklagt die Kriminalisierung ihrer Zunft: Schon bisher würden immer wieder "zwei Frauen, die völlig diskret und zu ihrer eigenen Sicherheit zusammenarbeiten, wegen Förderung der Prostitution angeklagt".

Dabei arbeite "die Mehrheit" der rund 80.000 Prostituierten auf der Insel auf eigene Rechnung. Die Angaben der Regierung, wonach 80 Prozent der Prostituierten "äußerem Zwang" unterliegen, hält Adams für "frei erfunden".

Die geplanten, neuen Gesetze richteten sich dagegen weder gegen häusliche Gewalt noch gegen die Armutsfalle, in der viele Prostituierten stecken würden: "Stattdessen treiben sie die Frauen, die als Prostituierte arbeiten, in die Illegalität und machen ihr Leben schwerer." (Sebastian Borger/DER STANDARD, Printausgabe 20.11.2008)