Graz - Rhythmus und Repetition in der Musik - das sind auch wichtige Mittel zum Erreichen von Ekstase, jenes etwas anderen Bewusstseinszustands, der in Sphären transportiert, denen manche gerne die Nähe zum Göttlichen zusprechen. Falls sie eben an dessen Existenz glauben. Insofern ist es nicht unlogisch, auch einen der Hauptvertreter der Minimal Music, Steve Reich, bei der Reihe Psalm einen kleinen Konzertplatz einzuräumen.

Sein Stück Drumming (am 15. März in der Helmut-List-Halle, interpretiert von Studio Percussion Graz etwa ist in diesem Kontext doch sinnvoll eingesetzt. Es handelt sich dabei zwar nicht um geistliche Musik, aber doch eben um einen rhythmischen Kosmos, der rauschhaft zu packen und einzulullen imstande ist - bei aller Komplexität ist er ja von einer unmittelbaren, fast narkotischen Wirkung.

Die Verzückung

Thematisch noch näher zum Festival Psalm ist Reichs Stück Tehillim. Hier greift der Amerikaner auf hebräische Psalmtexte zurück, baut eine Klangwelt auf, in der Frauenstimmen und rhythmische Patterns dominieren. Das vereint also zwei ekstatische Elemente, denn neben dem Rhythmus darf man auch dem gesungenen Text und der daraus womöglich entspringenden vokalen Verzückung eine spezielle Wirkung auf Ausführende und auch Zuhörer zusprechen.

Interessant und sympathisch an der 16 Konzerte umfassenden Reihe, die vorwiegend in Kirchen stattfindet: Sie ist rund um die kirchlichen Feste der Christen, Muslime und Juden angelegt. Den Rahmen des erstmals abgehaltenen Festivals bildet das Zusammentreffen der Osterzeit, des Pessachfestes sowie zweier wichtiger Gedenktage des Islam.

Die zusammentreffenden Feierlichkeiten: Mit dem Aschermittwoch beginnt am 5. März die Fastenzeit der Westkirche, gleichzeitig ist das der Neujahrstag des islamischen Jahres 1424. Zehn Tage später feiern die Muslime das Ashurafest, das an das Erreichen des Berges Ararat durch die Arche Noah erinnert. Gleichzeitig wird an diesem Tag bei den Schiiten der Ermordung von Mohammeds letztem Enkel Hussein gedacht. Auf den Gründonnerstag der katholischen und evangelischen Christen fällt der erste Tag des Pessachfestes der Juden.

Die Konzerte sind den unterschiedlichen Festlichkeiten angepasst: Das Ensemble Sarband bestreitet einen Abend mit Musik zum Ashura-Fest sowie ein mittelalterliches Palmsonntagsspiel. Das Ensemble für mittelalterliche Musik (um den Gründer Vladimir Ivanoff) setzt sich grundsätzlich mit der Beziehung zwischen europäischer Musik und der des Islam und des Judentums auseinander.

Weitere Konzertpunkte: Sängerin Timna Brauer gestaltet einen jüdischen Abend am Vorabend des Pessachfestes, der Gambenvirtuose und Dirigent Jordi Savall bringt mit Le Concert des Nations Joseph Haydns Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze zum Klingen. Etwas Besonderes kommt in der Osternacht: Ab 23.00 Uhr gibt es in der Franziskanerkirche eine Osternachtsfeier mit gregorianischen Chorälen, die erst bei Sonnenaufgang mit einem Osterfleischessen beendet wird.

Natürlich darf Barock-Vater Bach bei diesem Fest nicht fehlen: Seine Johannespassion wird am 18. April in der Heilandskirche aufgeführt, auch einige Kantaten werden das Programm von Psalm ergänzen. Für die Predigten bei den verschiedenen Veranstaltungen werden auch Gäste wie wie Dzevad Karahasan, und Barbara Frischmuth in Graz anwesend sein. (tos/DER STANDARD; Printausgabe, 01.03.2003)