"Leer" steht auf den Laden im OP, ins Leere blickt auch der Jungarzt: Das ATV-Programm 2009 hinterlässt bei manchen vielleicht ein solches Gefühl.

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Variationen zum Thema "Entertainment und Finanzkrise" bietet ATV 2009: Kinder in Not, Jungärzte im Spitalsalltag, Misswahlen und Comedy mit Joesi Prokopetz stehen an. Neue US-Serien fehlen vorerst.

Wien – Als "Supernanny" für Arme siedelt Katrin Lampe im Frühjahr vom Bauernhof ab und begibt sich in sozial prekäre Regionen. Bis Ende Jänner verkuppelt sie einsame Landwirte in "Bauer sucht Frau", ab dem Frühjahr sucht die Moderatorin in "Katrin hilft!" in Armut lebende Kinder auf, ortet materielle Problemzonen, ruft Sponsoren und Finanzberater zu den lieben Kleinen, kauft ihnen Spielsachen oder schickt sie auf Urlaub. Damit sorgt ATV für eine der einfallsreichsten Möglichkeiten, wie Unterhaltungsfernsehen die Finanzkrise bewältigen kann.

Die weiteren Höhepunkte des ATV-Programms 2009 sind zwar weniger kreativ, belegen aber durchwegs das soziale Sensorium eines um Quote ringenden Privatsenders:

Teenager in Gruppen abmagern lässt Diätexpertin Sasha Walleczek. Zwei Wochen im Jugendlager aufs Handy zu verzichten, könnte für einige Insassen zum Überlebenstraining werden.

Gemeinsam zu Tränen gerührt werden Waise und Halbwaise sein, für die ATV Mutter und Vater sucht: Vor laufender Kamera wünschen sich Programmmacher derlei Gefühlsregungen naturgemäß.

Familiäre Ausnahmesituationen gehen "Kinder kriegen Kinder" und "Letzte Chance: Liebe!" nach.

Die neue Miss Austria 2009 sorgt indes für glänzende Männeraugen.

Die Autobahnpolizei holt Raser gesammelt an den Straßenrand.

Hand anlegen dürfen "Junge Götter in Weiß": Dem schwer abgehangenen Umschreibung für unerfahrene Jungärzte stehen saftige Bilder vom OP-Tisch gegenüber.

Lachtherapie verordnet Joesi Prokopetz im "Comedy Club": Prominente österreichische Kabarettisten, ausländische Comedians und Nachwuchskünstler erzählen Witze. Hoffentlich müssen Zuschauer nicht in den Keller, ums lustig zu finden.

Brüder im Sport schaffen Motorradrennen, ihnen bleibt der Sender auch 2009 treu: ATV überträgt die Weltmeisterschaft weitere drei Jahre. Boxkämpfe, kommentiert von Sigi Bergmann, und deutsche Bundesliga, manchmal begleitet von Reiner Calmund, bleiben ebenso im Angebot.

Verloren im Nirgendwo fühlen sich allenfalls Serienliebhaber: Keine Neuerwerbung scheint auf, lediglich Fortsetzungen von "Lost" und "Heroes" warten. Im Programm bleibt hingegen die sozial völlig unverträgliche "Eine himmlische Familie". (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 19.11.2008)