Ein ehrenwertes Unterfangen: Die Wiener Leserinnen und Leser mit einem Reigen an Lesungen zu beglücken, wie ihn die Stadt noch nicht erlebte. 341 Veranstaltungen in sieben Tagen versammelt die neu gegründete Lesefestwoche. "Das größte derartige Spektakel, das Wien je gesehen hat", wie Buchhandels-Hauptverbands-Präsident Alexander Potyka bei der Eröffnung am Montag Abend in der Halle E des Wiener Museumsquartiers stolz verkündete. An 75 Orten wird gelesen, auch das Wiener Riesenrad soll, trotz der novemberlichen Temperaturen, zum Besuch einer Lesung reizen.

"Aus der Fülle der Möglichkeiten, aus der Fülle der 90.000 Bücher, die jedes Jahr erscheinen", habe die Programm-Verantwortliche, Gabriele Madeja, das Programm zusammengestellt. Mit einer großen Einschränkung allerdings, die Alexander Potyka im Überschwang der Begeisterung zu erwähnen vergaß: Die Lesefestwoche wurde gegründet als Begleitveranstaltung zur ebenfalls neu geschaffenen Buch Wien, die heute, Mittwoch Abend im Wiener Messegelände am Prater eröffnet wird. Zwar beschränken sich die Lesungen, wie erwähnt, örtlich nicht auf die Messehallen. Sie sollen ganz Wien in eine Stadt des Lesens verwandeln. Nur: Inhaltlich zeigt sich die Lesebuchwoche sehr wohl an die Buchmesse gebunden.

Nur Autoren, die bei Verlagen publizieren, die auf der Buch Wien ausstellen, werden zur Lesung gebeten. Dieser Umstand erklärt die kuriose Programmgestaltung. Kaum einer der wesentlichen österreichischen Autoren wurde "aus der Fülle der 90.0000 Bücher" erwählt.

Josef Winkler, der gerade mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet wurde, fehlt ebenso wie Peter Handke, Friederike Mayröcker oder der eben nominierte Träger des H.-C.-Artmann Preises, Oswald Egger. Alle vier veröffentlichen ihre Bücher bei Suhrkamp. Und Suhrkamp stellt nicht aus auf der Buch Wien. Weshalb auch Thomas Bernhard, hätte er noch gelebt, nicht zur Lesewoche eingeladen worden wäre. Norbert Gstrein fehlt und Elfriede Jelinek. Ihre Bücher erscheinen bei Rowohlt. Auch Rowohlt stellt nicht aus. Weshalb auch Daniel Kehlmann nicht auf der Lesefestwoche lesen wird. Peter Waterhouse, dessen (Krieg und Welt) zu den wichtigsten deutschsprachigen Büchern der letzten Jahre zählt, wird nicht lesen: Sein Verlag, die Salzburger Edition Jung&Jung, fährt nicht nach Wien zur Messe.

Die Liste ließe sich fortsetzen, mit österreichischen wie internationalen Autoren. Freilich bietet das Programm dennoch manche schöne Lesung - der Ungar Péter Esterházy wird im Burgtheater lesen, sein Berlin Verlag stellt in Wien aus, Ruth Klüger liest - auch der Zsolnay Verlag ist präsent auf der Buch Wien.

Wollte die Stadt ihren Leserinnen und Lesern aber tatsächlich einen reichen Kranz an Lesungen binden, sollte sie die Koppelung an die Verlagsstände der Messe kappen. Auch wenn diese in Leipzig gleichfalls existiert. Doch in Leipzig gibt es zehn mal mehr Verlage. (Cornelia Niedermeier/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 11. 2008)