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"Wenn Konsens besteht, würde es der Bundeskanzler selbst verkünden. Bei Dissens wird sich der Vizekanzler nicht den Mund verbieten lassen." Karl Pisa war ab 1966 Staatssekretär für Information.

 

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STANDARD: Die konfliktgefährdeten Koalitionspartner in spe, SPÖ und ÖVP, überlegen eine Stimme für zwei Herren. Sie waren Regierungssprecher. Empfehlen Sie's weiter?

Pisa: Die Ratio, mich zum Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs zu machen, war eine rein innerparteiliche. Nachdem sich bei den Verhandlungen über das Budget 1967 herausgestellt hat, dass die ÖVP wie eine Koalition der Bünde agiert und nicht mit einer Stimme sprechen kann, obwohl sie eine Alleinregierung ist, war man der Meinung, es wäre gut, wenn das kanalisiert würde und nur einer spricht. Das war natürlich eine Fehlspekulation.

STANDARD: Warum?

Pisa: Weil es sich Minister selbstverständlich nicht nehmen lassen, mit guten Botschaften selbst in die Medien zu gehen. Außerdem hat sich gezeigt, dass mich Bundeskanzler Klaus immer dann geschickt hat, wenn es um verlorene Landtagswahlen und Ähnliches ging. Und während der Tschechenkrise hat sich gezeigt, dass in so einer Krisensituation logischerweise der Bundeskanzler der Ansprechpartner ist. Jedenfalls war das von mir aus gesehen ein Himmelfahrtskommando - und das beziehe ich auf eine Ein-Partei-Regierung. Wie das in einer Koalition funktionieren soll, dass einer für zwei Stimmen, die wohl nicht immer harmonieren, sprechen soll, ist mir überhaupt rätselhaft.

STANDARD: Sie würden SPÖ und ÖVP aus Ihrer Erfahrung von einem Regierungssprecher also abraten?

Pisa: Wenn man sich die jetzige Situation anschaut - was hätte ein Regierungssprecher zu diesen zehn Grundsatzfragen sagen sollen? Wenn Konsens besteht, würde es der Bundeskanzler selbst verkünden oder sie tun es gemeinsam. Wenn Dissens besteht, wird sich der Vizekanzler nicht den Mund verbieten lassen. Was soll da der Regierungssprecher dazwischen? Kommt es, was die derzeitige Praxis ist, zu lang andauernden öffentlichen Auseinandersetzungen, ist der Sprecher einer Gesamtregierung eigentlich zur Neutralität verpflichtet. Er kann nicht einmal alles sagen, was er weiß. Trotzdem wird er gelöchert werden mit Fragen, aber er wird sich auf Prozedurales verlagern und so Sätze sagen, wie man auch jetzt hört: "Die Verhandlungen verliefen konstruktiv" , der nächste Termin etc.

STANDARD: Sehen Sie denn theoretisch eine/n Kandidat/in für den Job eines Regierungssprechers?

Pisa: Nein. Darum hat man ja bei meiner Position auch ursprünglich an den Hugo Portisch gedacht. Einer, der innerparteilich nicht zuordenbar ist, der überhaupt überparteilich ist. Portisch hat gut daran getan, es damals nicht zu machen.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die laufenden Koalitionsgespräche?

Pisa: Tatsache ist, dass die bisherigen Verhandlungen nicht ans Eingemachte gegangen sind. Da kommt man natürlich zu Fragen wie "gibt man den Krankenkassen Geld" oder "gibt es eine Strukturreform"? Lässt man das Pensionssystem mit Hacklerregelung weiterlaufen oder muss es da eine Korrektur geben? Dann gibt es noch die EU-Frage, und dann ist halt durch die Post-Geschichte wieder virulent geworden, ob der designierte Bundeskanzler nicht eine Vorliebe hat, punktuelle Aktionen zu setzen, die zumindestens optisch in einem gewissen Gleichklang zur Kronen Zeitung sind. Wenn man sich dann in der Fantasie fünf Jahre vorstellt und fragt, wie oft könnte es da einen Anlass geben, wo es doch populärer ist, irgendeinen Schnellschuss zu landen, und die Krone feuert dazu ihre Breitseiten, dann ist die ÖVP wieder in derselben Situation - entweder verleugnet sie sich oder sie gilt wieder als ein Bremser oder Verhinderer. Das geht halt in den Köpfen einiger Funktionäre herum.

STANDARD: Die "Krone" gab's ja zu Ihrer Zeit. Wie war es damals?

Pisa: Ich habe vor der Wahl gesagt, das ist die erste Wahl, die durch ein Boulevardmedium entschieden wird. Und ich sage immer, der Herr Dichand ist der Besitzer der einzigen permanenten absoluten Mehrheit. Daher muss er ja zwangsläufig zum Teil so agieren, wie er es tut. Er kann ja nicht gegen 51 Prozent seiner Leser sein. Das Problem ist nur, dass er dann versucht, das, was die an dumpfem Unbehagen fühlen, kampagnemäßig zu verstärken und in Politik umzusetzen. Diesen Gleichklang - EU-Frage, die Kampagne gegen die Außenministerin oder die Postämter-Geschichte - hat es noch nicht gegeben.

STANDARD: Was würden Sie denn als Regierungssprecher Ihrer Regierung in Sachen "Kronen Zeitung" raten?

Pisa:
Der Zug ist halt schon abgefahren. Wenn die Politik einmal die Weichen falsch gestellt hat, um das Entstehen so eines mächtigen Mediums kartellmäßig zu verhindern, muss man damit leben. Da ist die Zivilcourage sicher nicht groß, obwohl ich überzeugt bin, dass sich jemand, der auch gegen einen Mächtigen aufsteht, gewisser Reputation erfreuen kann. Aber bisher ist es relativ schlecht ausgegangen bei Busek und anderen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2008)