Die Taliban schlugen das Angebot aus.

Kabul/Neu-Delhi – Hamid Karsai scheint die Hoffnung zu verlieren, die internationalen Truppen könnten die Taliban noch auf dem Schlachtfeld besiegen. Nun versuchte Afghanistans Präsident ausgerechnet Taliban-Führer Mullah Muhammad Omar mit Zugeständnissen zu locken. Er werde persönlich für Omars Sicherheit garantieren, wenn dieser gewillt sei, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und über Frieden zu verhandeln, sagte Karsai.

Damit rüttelt er an der bisherigen Linie Washingtons. Der flüchtige Mullah Omar gilt den USA als Terrordrahtzieher und Helfer von Al-Kaida. Sie haben ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt. Gespräche würden Omar zu einem offiziellen Verhandlungspartner aufwerten. Das dürfte Washington kaum zulassen. Doch Karsai legte nach: "Wenn ich sage, ich will den Schutz von Mullah Omar, dann hat die internationale Gemeinschaft zwei Möglichkeiten, wenn ihr das nicht passt: mich aus dem Amt zu entfernen oder das Land zu verlassen."

Eine Antwort erhielt Karsai am Montag nur Stunden nach seiner vollmundigen Erklärung. Ein Führer der Taliban wies das Angebot von Gesprächen und sicherem Geleit zurück. So lange ausländische Truppen in Afghanistan blieben, seien die Taliban nicht zu Gesprächen bereit, erklärte Mullah Brother alias Mullah Abdel Ghani, dessen angeblicher Tod bei einem Militärangriff vor einem Jahr vermeldet worden war.

Karsais Vorstoß dürfte vor allem ein Signal an den neuen US-Präsidenten Barack Obama sein, die Strategie in Afghanistan zu überdenken. Obzwar die internationalen Truppen über 70.000 Soldaten, Milliarden Dollar und eine Hightech-Ausrüstung verfügen, waren sie nicht in der Lage, die Taliban in die Knie zu zwingen. Im Gegenteil: Die Militanten sind auf dem Vormarsch. Auf dem Khyber-Pass im pakistanischen Grenzgebiet überfielen sie zuletzt einen der Versorgungskonvois der Nato, im Stammesgebiet Bajaur, einem der Rückzugsgebiete der Extremisten aus Afghanistan, liefern sie sich heftige Gefechte mit der pakistanischen Armee.

Schon seit längerem wird über neue Wege diskutiert. Hinter den Kulissen gab es bereits Kontakte zwischen Taliban und Unterhändlern der afghanischen Regierung. Der scheidende US-Präsident George W. Bush hatte aber offizielle Friedensgespräche mit den Taliban abgelehnt. Sie liefen auf einen brisanten Handel hinaus, der den einstigen Zielen der USA widerspräche: Die Taliban würden die Waffen niederlegen. Dafür vergibt man ihnen aber ihre Gräueltaten und beteiligt sie an der Macht.

Aufstand spalten

Aber inzwischen mehren sich international die Stimmen, die Gespräche mit moderaten Kräften der Militanten befürworten. Man hofft, die Aufständischen so zu spalten und Teile von ihnen in die Gesellschaft zurückholen. Tatsächlich ist der Begriff Taliban unscharf und umfasst Militante verschiedener Motive. Ausgerechnet Omar erscheint aber kaum als der geeignete Verhandlungspartner.

Von 1996 bis 2001 führte er faktisch das Schreckensregime der Taliban. Nach dem Sturz der Gotteskrieger tauchte er unter. Man glaubt, dass er sich in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion versteckt hält, aber es gibt keine Beweise, dass er noch lebt. Mit seiner Offerte dürfte Karsai daher noch anderes im Sinn gehabt haben: 2009 soll in Afghanistan gewählt werden. Der als "Marionette der USA" verschriene Karsai dürfte daher darum bemüht sein, sich von den USA abzusetzen und sein Profil zu schärfen. (Christine Möllhoff/DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2008)