München/Wien - Westdeutschland hat während des Kalten Kriegs etwa 700 geheime Atombomben beherbergt, die dem Land von den USA zur Verfügung gestellt worden waren. Dies berichtet das deutsche Nachrichtenmagazin "Focus" unter Berufung auf Forschungserkenntnisse des Münchner Historikers Detlef Bald. "Nur etwa zwei Dutzend Menschen waren damals in die Pläne eingeweiht", sagte Bald, der unter anderem Zugriff auf das Privatarchiv des früheren Kanzlers Helmut Schmidt (1974-82) hatte.

Forscher, Politiker und Generäle hatten Berichte über das geheime Atomwaffenarsenal bisher als "Gerüchte" und "Hirngespinste" der Friedensbewegung abgetan. Laut Bald wurden die Nuklearwaffen Mitte der 1960er Jahre in die Bundesrepublik Deutschland gebracht. Sie sollten bei einem Angriff auf das Land gezündet werden. "Sie waren für den nuklearen Ersteinsatz geplant", sagte der Historiker. Ihre Sprengkraft betrug 0,2 bis 45 Kilotonnen. Die stärksten hatten somit jeweils die dreifache Zerstörungskraft der Atombombe von Hiroshima. Mindestens 50 Stück dieser "Atomminen" sollen sich während der 1960er Jahre in Deutschland befunden haben.

"Todbringender Unsinn"

Laut Bald hätte "allein das Militär" über den Waffeneinsatz entschieden. "Kein deutscher, kein amerikanischer Politiker hätte zustimmen müssen." Der Wissenschaftler belegt diese Aussage mit den gefundenen Geheim-Dokumenten. Als Schmidt 1969 unter dem deutschen Bundeskanzler Willy Brandt Verteidigungsminister wurde, stoppte er den "todbringenden Unsinn". Zusammen mit seinem US-Kollegen Melvin Laird erreichte Schmid einen Erfolg, der in dem Dokument "Deutsche Einsatzbeschränkungen für ADM (National Constrains)" am 23. Oktober 1973 festgeschrieben wurde. "Damit werden die Atom-Minen aus Deutschland beseitigt und dem Militär die Macht entzogen."

In Balds Buch "Politik der Verantwortung", das am kommenden Freitag erscheint, bestätigt Ex-Kanzler Schmidt die Forschungserkenntnisse. Im Vorwort zum Buch schreibt er: "Jeder atomare Krieg hätte Teile des deutschen Volkes ausgelöscht." (APA)