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Auch Kinder und Jugendliche sind von Colitis ulcerosa (chronische Dickdarmentzündung) und Morbus Crohn betroffen.

AP Photo/Vadim Ghirda

Innsbruck - Rund 80.000 Menschen leiden in Österreich an den Chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Das  entspricht zahlenmäßig einem Viertel der Innsbrucker Bevölkerung.

Auch junge Menschen betroffen

"Die Menschen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt und befinden sich in ihrer produktivsten Lebensphase", wies Herbert Tilg vom Krankenhaus Hall auf den frühen Krankheitsausbruch hin. Aber auch Kinder und Jugendliche seien immer häufiger von Colitis ulcerosa (chronische Dickdarmentzündung) und Morbus Crohn betroffen, sagte er im Rahmen der medizinisch wissenschaftlichen Fachveranstaltung "Update Gastroenterologie".

Symptome einer chronischen Entzündung

Je nach Ausprägung der CED reicht das Spektrum von einem leichten Krankheitsbild bei einzelnen Patienten bis hin zu schwersten Krankheitsverläufen mit dramatisch verschlechterter Lebensqualität. Etwa 90% der CED-Patienten leiden phasenweise bis lebenslang an Durchfall bis hin zur Inkontinenz, 85% an Bauchschmerzen. Häufig sind Blutbeimengungen im Stuhl.

CED dürfen nicht mit Gastritis oder dem Reizdarmsyndrom verwechselt werden: CED führen meist zu hartnäckigem chronischem Durchfall, einer schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität mit häufigem sozialem Rückzug und nicht selten zur sozial-ökonomischen Problemen.

"Spätestens wenn man vier Wochen durchgehend Durchfall und Beschwerden vor allem in der Nacht hat, leidet man an einer chronischen Entzündung und sollte zum Arzt gehen", zeigte Tilg die ersten CED-Symptome auf. Der Stuhlgang dürfe nicht länger ein tabuisiertes und beschämendes Thema sein. Bei bis zu 80.000 erkrankten Menschen in Österreich, die Dunkelziffer werde höher eingeschätzt, müsse das Bewusstsein der Gesellschaft geschärft werden. Zu wenige würden darüber Bescheid wissen.

Genetischer Hintergrund und Umweltfaktoren

Obwohl es sich um spontane Krankheiten handle, haben sowohl Colitits ulcerosa als auch Morbus Crohn (möglicher Befall des gesamten Verdauungstraktes vom Mund bis zum After) einen genetischen Hintergrund. "Tritt ein CED-Fall in der Familie auf, sollten die Angehörigen wachsam sein", machte der Mediziner aufmerksam. Was aber genau die chronischen Erkrankungen auslöse und welche Einflüsse dazu beitragen, wisse man noch nicht genau.

"Uns sind bisher ein Drittel, das sind rund 30, der risikoreichen Gene bekannt", erläuterte Arthur Kaser von der Universitätsklinik Innsbruck. Allerdings spielen Umweltfaktoren, wie Abgase, Nahrungsmittel und -stoffe sowie Dinge des täglichen Lebens, eine wesentliche Rolle. Diese hätten in den letzten Jahren zugenommen.

Erhöhtes Krebsrisiko

Zudem weisen Patienten mit Darmerkrankung ein höheres Krebsrisiko, vor allem beim Dickdarm, auf. Häufig sind Operationen erforderlich, bis hin zur Dickdarm-Entfernung und dem Einsetzen eines künstlichen Darmausganges", so Tilg. CED gehe über den Darm hinaus und entwickle sich zu einer "Systemerkrankung". Früher oder später seien auch die Haut, Knochen in Form von Osteoporose, die Gelenke und die Augen davon befallen.

"Es verwundert nicht, dass CED zu den tabuisierten Krankheiten zählen, über die man nicht gerne spricht", so Tilg. Erste Anzeichen würden oft nicht ernst genommen und es vergehe viel Zeit bis zu einer exakten Diagnose, wodurch die Krankheit unbehandelt fortschreitete.

Alle Lebensbereiche betroffen

Um Betroffene auf eine Früherkennung zu sensibilisieren gab die Zweigstellenleiterin für Tirol der ÖMCCV (Österreichische Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung) und selbst seit 35 Jahren betroffene Manuela Steinkellner einen Einblick in ihr Leben: "Mein Alltag muss zu 150 Prozent geplant sein. Alle vier Stunden brauche ich eine Toilette, weil ich es sonst nicht mehr zurückhalten kann." Sie habe sich einer Notoperation unterziehen müssen, da ihr 25 Zentimeter langer Dick- und Dünndarm nur noch auf vier Millimeter durchlässig war. Nach sechsmonatigem Krankenhausaufenthalt habe sie ihren Arbeitsplatz verloren und sich aus der Gesellschaft vollkommen zurückgezogen. Inzwischen seien auch ihre Mutter, ihr Bruder sowie die Schwester, der Sohn, eine Cousine und eine Nichte an Morbus Crohn erkrankt.

Behandlung

Damit die Krankheit nicht unerkannt fortschreitet und sich die Prognose verschlechtert ist eine möglichst frühzeitige Diagnose von zentraler Bedeutung. "Eine kompetente Diagnose ist Voraussetzung für eine angemessene Behandlung, und sie kann Darmoperationen vorbeugen",  erklärt Tilg. Ein Test soll rasch und einfach Aufschluss über das Erkrankungs-Risiko geben. (APA/red)