Kigali/Nairobi - Nach der Festnahme von Ruandas Spitzendiplomatin Rose Kabuye am Frankfurter Flughafen hat die Regierung in Kigali am Mittwoch auf eine kompromisslose Linie gesetzt. Der deutsche Botschafter, Christian Clages, wurde aufgefordert, das Land binnen 24 Stunden zu verlassen. "Er ist in Ruanda nicht willkommen, bis die Verhaftung von Rose Kabuye aufgeklärt ist", so Ruandas Außenministerin Rosemary Museminali. Zeitgleich wurde Ruandas Botschafter aus Berlin abberufen, zu Konsultationen, wie es hieß.

Kabuye soll nun nach Frankreich überstellt werden, das Oberlandesgericht Frankfurt ordnete am Mittwoch Auslieferungshaft an. Ruandas Präsident Paul Kagame hatte Kabuye am Dienstag besucht, er war auf Einladung der Börse nach Frankfurt gekommen.

Wenn man den staatlich gesteuerten Medien in Ruanda glauben will, dann ist die Verhaftung von Kagames Protokollchefin Kabuye ein politisches Komplott, um die Regierung zu schwächen oder gar zu stürzen. Die Behauptung, Kabuye sei in den Tod von Kagames Vorgänger Juvénal Habyarimana verwickelt, wie ein französischer Richter ihr vorwirft, gilt in Kagames Regierung als fabriziert, um von Frankreichs Beteiligung am Genozid abzulenken.

Tatsächlich glauben auch viele Historiker, dass hinter dem Anschlag auf Habyarimanas Flugzeug Hutu-Extremisten steckten, die den Präsidenten als Hindernis für den längst vorbereiteten Völkermord sahen. Auch ist erwiesen, dass Frankreich die Hutu-Extremisten, die Kagame 1994 militärisch besiegte, vermutlich bis zum Schluss unterstützte. Ob Kagames Verschwörungstheorie zutrifft, darf hingegen bezweifelt werden, allerdings nicht in Ruanda.

Ruandas Generalstaatsanwalt General Martin Ngoga kündigte am Mittwoch an, man werde bald schon Haftbefehle gegen 23 hochrangige Franzosen ausstellen, die aufseiten der Hutu-Extremisten in den Völkermord mit mehr als 800.000 ermordeten Tutsi und moderaten Hutu verwickelt gewesen sein sollen. "Auf Grundlage eines Untersuchungsberichts, der uns vorliegt, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es hinreichenden Tatverdacht gegen 23 der 33 genannten Verdächtigen gibt."

Mit der Festnahme Kabuyes habe das natürlich nichts zu tun, sagte Ngoga: "Unser Verfahren ist vollkommen unabhängig von den anderen Geschehnissen." Kaum zu glauben, nachdem auch der zitierte Untersuchungsbericht erst geschrieben wurde, nachdem Frankreich erstmals den Haftbefehl gegen Kabuye und acht andere Vertraute Kagames veröffentlichte.

Die öffentliche Empörung gegen die Festnahme Kabuyes ist hingegen echt. Vor allem in der Hauptstadt Kigali gilt die Exbürgermeisterin als Heldin, nachdem sie 1994 ohne einen Cent in der Stadtkasse begann, den 400.000 Vertriebenen zu helfen. Vier Jahre später hinterließ sie eine Vorzeigestadt und ein Budget von gut vier Mio. Euro.

Zu verdanken ist Kabuye, die in einem Flüchtlingslager in Uganda aufwuchs und an der Seite Kagames im Busch kämpfte, außerdem, dass heute in Ruanda mehr Frauen als Männer in Parlament und Regierung sitzen. Irgendwann, sagt sie, habe sie gemerkt, dass sie in der Armee, der Politik die einzige Frau war. "Da habe ich angefangen, über Frauenrechte zu sprechen." Vielen Frauen, auch außerhalb der Politik, gilt Kabuye als Vorbild. (Marc Engelhardt/DER STANDARD, Printausgabe, 13.11.2008)