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Bislang zweitjüngster Booker-Preisträger: Adiga

Foto: REUTERS/C Mark Pringle

Wien - Ein "Denker und Unternehmer, wohnhaft in der Weltstadt von Computertechnologie und Outsourcing" ist der "weiße Tiger". Er sitzt mitten in der Nacht unter einem Kronleuchter in einem dubiosen Büro im indischen Bangalore und schreibt einen langen Monolog: Der im Oktober mit dem Booker-Preis ausgezeichnete Debütroman des Inders Aravind Adiga, Der weiße Tiger, ist der an den chinesischen Ministerpräsidenten adressierte Brief eines Mannes, der anhand seiner aufregenden Biografie dem chinesischen Führungsoberhaupt das "wahre" Bangalore, den "wahren" indischen Unternehmergeist vorführt.

Ein anderer Name des "weißen Tigers" ist Balram Halwai, wobei Halwai die Kaste des Mannes, Zuckerbäcker, beschreibt. Ihm, dem Sohn eines Rikschafahrers, gelingt der Aufstieg zum erfolgreichen Geschäftsmann.

Die Begründung der Jury für die Vergabe des mit umgerechnet 64.000 Euro dotierten Booker-Preises spricht von der "dunklen Seite Indiens", die der Roman zeige, dabei gleichzeitig schockiere und unterhalte.

Die dunkle Seite - denn Balram, der manchmal auch Munna genannt wird, arbeitet sich nicht hoch, wie man sich das beispielsweise als chinesischer Ministerpräsident vorstellen würde. Denn in jenem düster modernen Indien, das Adiga beschreibt, unterteilt man die Menschen in zwei Kasten: die dickbäuchigen und die dünnen Inder. Einen Diener wie Balram lassen die Dicken nicht hochkommen. Die Armen, deren Lebensgeschichte ihnen "mit scharfer Feder auf den Körper geschrieben" ist, haben auf ehrliche Weise keine Chance. Und die intrigante, korrupte Welt seiner Herren beeinflusst letztlich auch den Knecht Balram, der sich nur mit einem Mord befreien kann.

Adiga, der englischsprachig in Sydney aufwuchs und heute als Korrespondent etwa der Financial Times und des Time-Magazins in Mumbai lebt, erzählt in lakonischem, unterhaltsamem Ton von einer Gesellschaft, deren Brutalität dem Helden zur Sprungfeder wird. Eine amüsante Gaunergeschichte.(Isabella Hager/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 11. 2008)