Deftiger Wirtshaustochter-Monolog, der am Strick enden wird: Ricky May in der Drachengasse.

Foto: Michael Kiefer

Ein Strick hängt von der Wohnzimmerdecke. Für den gäbe es in Franzobels Wirtshaustochter-Monolog Die Blinden, die Tauben und die anderen Geilisten von Anfang an Bedarf. Denn die fatale Rede einer zu spät dem gewalttätigen Eltern- und Wirtshaus (und der in diesem ein- und ausgehenden ebensolchen Dorfgemeinschaft) entflohenen jungen Frau ist bereits der Epilog auf ein nunmehr aufgegebenes Leben. Die Theaterleiterin (europeangrouptheater), Regisseurin und - hier - Schauspielerin Ricky May lässt den in deftiger Volkstheater-Diktion gehaltenen Text Franzobels (der Ort des Geschehens heißt nicht nur sinngemäß Fucking) beim Gastspiel in der Drachengasse wie einen unnachgiebigen Auswurf über die Lippen. Die Drastik des Inhalts (verkappte Kinderprostitution in prekären sozialen Gefügen am Land) verdoppelt May durch ihre furiose Verkörperung. Was auch inflationär wirkt.

Doch der Abend im kleinen Bar-&-Co-Raum fängt sich immer wieder, Längen bleiben. Regisseur Peter Wolsdorff nützt die wenigen szenischen Winks im Text: Jenes dem Missbrauch entsprungene Kind, ein deformiertes Wesen, an welches die Rede gerichtet ist, wird allmählich in Gestalt einer Tuchent-Puppe kenntlich. Am Schluss wird es am Strick baumeln. (afze, DER STANDARD - Printausgabe, 11. November 2008)