Die Begegnung war kurz, aber freundlich, jedenfalls freundlicher, als man es bei politischen Gegnern erwarten konnte.

Beim Hinausgehen legte Barack Obama sogar den Arm auf die Schulter George W. Bushs, was er im Nachhinein mit der spitzen Bemerkung kommentierte, dies sei nun mal seine Art, auch wenn es manchem Parteifreund wohl gar nicht gefalle. Begonnen hatte es auch ziemlich nett. ",Obama!‘, sagte der Präsident und schüttelte meine Hand. ‚Kommen Sie und begrüßen Sie Laura. Laura, du erinnerst dich doch an Obama. Wir haben ihn in der Wahlnacht im Fernsehen gesehen.‘"

Knapp vier Jahre liegt es zurück, das Premierentreffen Obamas mit Bush, dem am Montag eine Neuauflage folgte. Man schrieb den Spätherbst 2004, Mister President empfing die Senatoren, die gerade neu gewählt worden waren in die kleinere, aber feinere der beiden Parlamentskammern. Das übliche Procedere, verbunden mit einem Fototermin. Jeder durfte sich einzeln neben den Hausherrn und die First Lady stellen, um sich fürs Album ablichten lassen. Obama verpasste den Schnappschuss, weil er lange nichts gegessen hatte und dies am Buffet nachholen wollte. Als er fertig war, war die Warteschlange der Senatoren verschwunden, die Audienz beendet. Ein Marinesoldat stellte sich ihm in den Weg, doch Bush bemerkte den Verspäteten und verwickelte ihn in ein nettes Gespräch. In "Audacity of Hope" , seinem Memoirenband, zitiert Obama ausführlich daraus.

"Wunderschöne Familie. Und die Frau, die Sie da haben - was für eine beeindruckende Lady." Einen guten Rat gab er dem Neuling noch mit auf den Weg, eine Orientierungshilfe für die Washingtoner Schlangengrube. "Wenn Sie so auf sich aufmerksam machen, wie das bei Ihnen der Fall ist, dann fangen die Leute an, Sie aufs Korn zu nehmen. Und es kommt nicht nur von meiner Seite, verstehen Sie. Jeder lauert darauf, dass Sie ausrutschen. Also passen Sie auf."

Vier Jahre später fuhr Obama erneut vors berühmte Säulenportal an der Pennsylvania Avenue Nr. 1600. Er ist in der Zwischenzeit noch ein paar Mal dort gewesen, zuletzt auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als Bushs Riege ein Rettungspaket schnüren wollte und beide Präsidentschaftskandidaten symbolisch mit am Tisch haben wollte. Ins Allerheiligste aber, ins Oval Office, hat der frühere Außenseiter aus Chicago noch nie einen Fuß gesetzt. Vielleicht werde er es als eine Art Elfenbeinturm empfinden, hatte ihn Joshua Bolten, Bushs Stabschef, halb im Scherz vorgewarnt. Als eine Art Kommunikationswüste, ohne sofortigen Zugang zum Internet. "Es gibt zwar ein Telefon, aber die Nummern derer, die er anruft, kennt er meistens nicht."

Bei aller vordergründigen Harmonie, an den inhaltlichen Differenzen zwischen dem 43. und dem 44. Präsidenten ändert sich nichts. Nur wenige Stunden vor seiner Visite ließ Obama wissen, dass er bestimmte Dekrete seines Vorgängers im Januar per Eilverfahren außer Kraft setzen will - durch Anordnungen der Exekutive, die nicht der Zustimmung der Legislative bedürfen. Das betrifft unter anderem die Einschränkung der Stammzellenforschung, die Bush mit Blick auf seine religiösen Anhänger verfügte. Ferner soll das grüne Licht für Ölbohrungen im Rocky-Mountains-Staat Utah, ökologisch höchst umstritten, zurückgenommen werden. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2008)