Ihm wird Genozid in Srebrenica und in Prijedor vorgeworfen.

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Der Karadžić-Prozess vor dem Haager UN-Tribunal ist nichts für ungeduldige Gemüter. Drei Monate nach der Verhaftung des ehemaligen Präsidenten der bosnischen Serben hat das Gericht die Prozessvorbereitungen noch immer nicht abgeschlossen. Ein Datum für den Beginn des eigentlichen Verfahrens steht noch nicht fest. Dabei hat das UN-Tribunal, dessen Mandat mit Ende 2009 ausläuft, jeden Grund, das Tempo zu erhöhen.
Der Angeklagte Radovan Karadžić, der Rechtsbeistand in seinem Verfahren ablehnt und trotz mehrmaliger Warnungen des Gerichts darauf besteht, sich selbst zu verteidigen, ist nicht der Einzige, für den Zeit keine Rolle zu spielen scheint. Auch die Anklage ließ sich mit der Überarbeitung der Anklageschrift mehr Zeit, als es Richter Iain Bonomy lieb war. Erst Ende Oktober hatte Chefankläger Serge Brammertz die abgeänderte Anklageschrift vorgelegt.

Reduzierte Anklage

Das neue Dokument hat die Anzahl der Fälle, in denen Karadžić Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen wird, von 41 auf 27 Fälle reduziert. Brammertz will die Fehler seiner Vorgängerin Carla del Ponte vermeiden, die im Verfahren gegen Slobodan Milošević darauf bestanden hatte, den gesamten Balkankrieg zu verhandeln.

Karadžić wird Völkermord in zwei Fällen vorgeworfen. Die Anklage hält ihn für die Vertreibung und Ermordung der kroatischen und muslimischen Bevölkerung von Prijedor 1992 und für die Exekution von mehr als 8000 muslimischen Männern nach dem Fall der UN-Enklave Srebrenica im Juli 1995 verantwortlich. Die Beweisführung im Anklagepunkt Genozid ist bisher nur für Srebrenica gelungen. Denn für eine Genozidanklage muss der Nachweis gelingen, dass der Angeklagte die Absicht hatte, eine Bevölkerungsgruppe zum Teil oder in ihrer Gesamtheit zu vernichten. Anklagepunkte, die Karadžić schwere Verstöße gegen die Genfer Kriegsrechtskonvention vorwerfen, wurden fallengelassen, um dem Gericht den Nachweis zu ersparen, dass es sich beim Balkankrieg um einen internationalen Konflikt gehandelt habe.

Karadžić selbst hat bislang in seinem Auftreten ebenfalls auf Zeit gespielt. Er besteht darauf, dass alle Dokumente und Verfahrensprotokolle ins Serbokroatische übersetzt werden. Im Vorverfahren vergangene Woche beklagte er sich zudem, dass er nicht genug Rechtsbeistand bei der Vorbereitung seiner Verteidigung erhalte. Das Tribunal hat dem Protest nicht stattgegeben.

Karadžić ist zurzeit auch Zeuge im Berufungsverfahren gegen Momlico Krajišnik. Der ehemalige Präsident des bosnisch-serbischen Parlaments war in der ersten Instanz zu 27 Jahren Haft verurteilt worden. In diesem Verfahren lässt sich Karadžić vom erfahrenen US-amerikanischen Anwalt Peter Robinson vertreten. Robinson muss dafür sorgen, dass der Zeuge Karadžić mit seinen Aussagen den Angeklagten Karadžić nicht belastet. (Barbara Hoheneder aus Den Haag/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2008)