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Die Bankomaten der Parex Bank spucken jetzt im Dienste des lettischen Staats Geld aus.

Foto: Reuters/Ints Kalnins

Stockholm - Nach Island steuert nun auch das Baltikum auf einen Zusammenbruch des Finanzsektors zu. "Die baltischen Tiger verwandeln sich in hungernde Kätzchen" , artikulierte ein lettischer Kleiderproduzent bei der Modewoche in Riga. Nordische Finanzexperten warnen vor Parallelen zu Island, seit die lettische Regierung am Wochenende mit der Parex Bank das zweitgrößte Finanzinstitut des Landes für eine symbolische Summe von zwei Lats verstaatlicht hat. 51 Prozent gehören nun dem Staat, 34 Prozent gehen als Pfand in die staatliche Hipoteku Bank. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die russischen Haupteigentümer die vor dem Bankrott stehende Bank zurückkaufen können.

Ähnlich wie die isländische Kaupthing Bank lockte Parex mit Zinsen von über sechs Prozent Sparer in einem Dutzend europäischer Länder an. Außer in nordischen Staaten unterhält die Bank Filialen in Deutschland, der Schweiz und Großbritannien. Bisher gelten die Sparkonten besser durch Einlagen geschützt als bei Kaupthing. In Deutschland steht der Bundesverband der Banken für bis zu 20.000 Euro als Garant. Zusätzlich sollen die Auslandskonten durch den lettischen Einlagensicherungsfonds mit bis zu 50.000 Euro geschützt sein.
Die lettische Parex Bank hat ein Geschäftsvolumen von 4,3 Milliarden Euro. 1992 gegründet, beschäftigt sie heute 2600 Mitarbeiter.

Der baltische Bankensektor leidet unter ähnlichen Problemen wie der isländische. Die Wirtschaftskraft der bevölkerungsarmen Länder Lettland, Estland und Litauen ist begrenzt. Gleichzeitig erlebten die Anfang der 90er-Jahre von der Sowjetunion unabhängig gewordenen Staaten einen rasanten, mit Krediten aufgepumpten Aufschwung mit zweistelligen Wachstums- und Inflationsraten.

Kettenreaktion

Letzteres machte den Euro-Beitritt der 2004 zur EU gekommenen Kleinstaaten unmöglich. Ungeachtet dessen verschleuderten deren Banken im Aufschwungfieber Kredite, meist in ausländischen Währungen. Mit der Weltfinanzkrise, steigenden Kreditkosten und sinkenden Grundstückspreisen können nun Kreditnehmer ihre Zahlungen nicht mehr leisten.

Die schwedische Finanzaufsicht schätzt, dass in den vergangenen Tagen lettische Sparer von ihren Parex-Konten bis zu 60 Mio. Lats (84 Mio. Euro) abgehoben haben. Parex geriet in Zahlungsengpässe.
Ein Unterschied zu Island ist, dass vor allem Banken aus dem bislang stabilen Schweden den baltischen Bankensektor anführen. Diese können notfalls mit einer Geldspritze aus der wohlgefüllten Staatskasse Schwedens rechnen.

Die aktuelle Finanzkrise beschleunigte einen Abschwung im Baltikum, der schon 2007 deutlich wurde. Alle baltischen Länder leiden an stark negativen Handelsbilanzen. Der jahrelange Aufschwung wurde vor allem durch kreditfinanzierte Finanzgeschäfte angetrieben. Dann brachen Wachstumszahlen, Hauspreise und die inländische Nachfrage zunehmend ein. Zugleich stiegen Inflation und Lohnniveaus dramatisch. Lange hofften die baltische Landesbanken mit dem bloßen Aussitzen der Krise, durch feste, an die EZB gekoppelte Wechselkurse und Leitzinssätze, auf eine weiche Landung nach den überhitzten Aufschwungjahren. Diese Hoffnung dürfte sich verflüchtigt haben. (André Anwar, Stockholm, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.11.2008)