Uneins mit sich selbst: Der Dirigent (Rüdiger Kuhlbrodt als Herbert von Karajan) und sein tanzender Schatten (Mack Kubicki).

Foto: Salzburger Landestheater

Und selbst dafür reichte es kaum aus

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Salzburg - Er selbst hat die Dauer seines Nachruhms auf 300 Jahre geschätzt. Und auch einiges dafür getan, dass diese Zeitspanne für uns nicht allzu trocken verläuft. Herbert von Karajan, der 1989 verstorbene Salzburger Stardirigent, hinterließ als griffiges Fundament seines mächtigen Werkes und zur Freude aller ihn zwischen Genie und Provinzkapellmeister deutenden Rezeptionisten auch ein markttauglich gelebtes Leben.

Die Koordinaten seiner zwischen Klassikzirkeln und Jetset aufgespannten Biografie sind hinreichend kommuniziert: Generalmusikdirektor im Alter von nur 26 Jahren, aus Karrieregründen zwei Mal der NSDAP beigetreten, gefolgt allerdings von einem mehrjährigen Dirigierverbot, weil er 1942 die "Vierteljüdin" Anita Gütermann geheiratet hatte. Später Nachfolger von Wilhelm Furtwängler bei den Berliner Philharmonikern - auf Lebenszeit. Und schließlich die dritte Ehe mit dem Dior-Model Eliette Mourot, der zwei Töchter entstammen. All dies gepaart mit mehr oder weniger hehren Attributen von Lebensgier. Und egomanisch war er selbstverständlich auch.

Mit dieser schön ausgemalten, seit jeher polarisierenden Lebenspracht lassen sich im heutigen Kunstbetrieb nur mehr müde Meter machen. Es wird bei personengeschichtlichen Darbietungen dieser Art eben erfüllt, was man prophezeit. So hielt sich das Interesse an einer theatralisch-choreografischen Durchsicht von Karajans Bio bei der Uraufführung am Landestheater Salzburg freitags auch in Grenzen. Obwohl oder gerade weil ein verbriefter Regie-Haudegen wie Johann Kresnik am Werk war.

Kresniks Behauptungsfuror

Die leer gebliebenen Premierenplätze hätten wohl jenen treuen Bewunderern gehört, die sich ihren Maestro durch jenen Maestro von Kresnik erst gar nicht madig machen lassen wollten. Bis auf eine Wirtshaus- und zwei Traumszenen war der von Autor Christoph Klimke collagierte Text verbürgt und belegt: "80 % des Textes basieren auf wahren Aussagen" (sic!).

Mit so vielversprechenden Behauptungen wollte man wohl Neugierde auf die restlichen 20 Prozent erzeugen. Hat nicht sonderlich geklappt. Die von Johann Kresnik gestemmte pralle kunstgewerbliche Ästhetik erschien obendrein als Gruß aus einem fernen Jahrzehnt: In bedeutungsschwerer Nacktkörperperformance tänzelt Mack Kubicki als "Schatten" Karajans um eben diesen (Rüdiger Kuhlbrodt) herum. Dagegen war der Aufmarsch von Zeitgenossen geradezu kühn: Nikolaus Harnoncourt mit locker sitzendem Frankenstein-Gebiss, Christian Thielemann als Gothic-Transvestit, Luis Trenker kommt als nackter Alpinengel geflogen, und Eliette von Karajan stellt sich als trinkfreudiger Blondinenwitz ein. Aufregung? Keine.

Besonders platt wird es, wenn Winifred Wagner in der besetzten Hitler-Loge von BZÖ- und FPÖ-Bannern umweht wird, grenzwertig, wenn Seitenblicke-Personal à la Gottschalk, Lauda oder die Fotografin Sayn-Wittgenstein-Sayn ehrfürchtig in der Inkontinenzwindel des Maestro stochern.

Die einstige Ungehörigkeit von Kresniks Kunst ist keine mehr. Man nimmt drastische Bilder bestenfalls als überraschende Unterhaltung entgegen. Alles schon gesehen, und auch mit Karajan-Kritik rennt man keine Türen ein. Mehr als ein müdes Lächeln hat sich der Abend nicht verdient. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 10.11.2008)