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Der Castor-Transport aus der französischen Aufbereitungsanlage La Hague ins norddeutsche Wendland hat am Dienstag kurz nach Mitternacht das Zwischenlager Gorleben erreicht.

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Die Fahrt der elf Atommüll-Behälter aus Frankreich ins Zwischenlager hat sich am Samstag wegen einer Gleisblockade in der Südpfalz um rund zwölf Stunden verzögert

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Mit Natodraht wurde der Castor-Verladebahnhof in Dannenberg von der Polizei gesichert.

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Demonstranten blockieren am Samstag die Gleise bei Berg, Deutschland, an der französischen Grenze. Am Nachmittag sollte ein Zug mit Castor Atommüllbehältern die deutsch-französische Grenze in Richtung Gorleben passieren.

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Lüneburg - Begleitet vom massivsten Widerstand seit Jahren hat der elfte Castor-Transport aus der französischen Aufbereitungsanlage La Hague ins norddeutsche Wendland (Landschaft im Grenzbereich der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt) am Dienstag kurz nach Mitternacht das Zwischenlager Gorleben erreicht. Laut Polizei passierten die elf Tieflader mit hoch radioaktivem Müll um 00.19 Uhr die Einfahrt.

14 Stunden aufgehalten

Die Polizei musste am Montag auf der Straßenstrecke von Dannenberg nach Gorleben erst zahlreiche Blockaden auflösen, ehe der Transport mit erneut deutlicher Verzögerung ab 23.00 Uhr die knapp 20 Kilometer lange, letzte Etappe absolvieren konnte. Schon am Samstag war der Zug aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague durch eine Ankettaktion an der deutsch-französischen Grenze 14 Stunden aufgehalten worden.

Allein vor dem Zwischenlager hatten rund tausend Atomkraftgegner fast zwei volle Tage ausgehalten, ehe die Polizei am Montagnachmittag die Blockade räumte. An anderen Streckenabschnitten mussten Traktor-Blockaden aufgelöst werden. Die längste Zeit verbrachte die Polizei damit, am späten Montagabend acht Mitglieder der bäuerlichen Notgemeinschaft im Wendland aus Betonpyramiden auf der einzigen Zufahrt zum Zwischenlager zu befreien.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg teilte am Montagabend mit, man habe den bisher "längsten Castortransport hingekriegt, bleibt ruhig und gelassen". Der Transport vor zwei Jahren hatte 58 Stunden gedauert, dieses Mal waren es knapp 80. Bei den Protesten und Blockadeaktionen gab es im Wendland am Sonntag und Montag Verletzte auf beiden Seiten. Der friedliche Protest bei einer Kundgebung am Wochenende übertraf mit 15.000 Teilnehmern frühere Veranstaltungen um weit mehr als das Doppelte.

Grüne: "Durchhalten"

Grünen-Chefin Claudia Roth hatte die Gorleben-Blockierer noch am Nachmittag zum Durchhalten aufgefordert. Sie sagte im SWR, es sei gerechtfertigt, den Transport "so lange wie möglich aufzuhalten" und damit ein deutliches Zeichen gegen eine von Union (CDU/CSU) und FDP geplante Verlängerung von AKW-Laufzeiten zu setzen. Roth sprach sich gegen "Vorfestlegungen" aus, die den Salzstock Gorleben trotz der aktuellen Erfahrungen mit dem maroden Atommülllager Asse zum Endlager machen wollten. Es müsse endlich wissenschaftlich untersucht werden, ob nicht Granit- oder Ton-Gesteine in Süddeutschland für ein Endlager geeigneter seien.

Unionsfraktionsvize Katherina Reiche warf den Grünen erneut vor, sie machten sich unglaubwürdig, da sie als Regierungspartei Proteste gegen Atomtransporte als "Teil des rot-grünen Ausstiegsszenarios" noch abgelehnt hätten. Zudem müssten sie sich von Gewalt und Straftaten im Zusammenhang mit den Protesten deutlich distanzieren.

Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) äußerte wie Roth Zweifel am Standort Gorleben. Sowohl die Schweiz als auch Frankreich sagten, dass die dortige Salzformation "nicht unbedingt das Ideale" sei, sagte Müller im ARD-Morgenmagazin.

Das forderte auch die Linke im Bundestag. Der Plan der CDU, "Gorleben als Atomlager ohne ergebnisoffenes Suchverfahren durchzusetzen", sei rückwärtsgewandt und "eine Absage an demokratische Grundwerte", erklärte der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Hans-Kurt Hill.

Rund 1.000 Demonstranten

Nach einem Bericht von "Welt Online" hatten sich unter die Demonstranten 800 bis 1.000 gewaltbereite Autonome gemischt. Das sei dem Lagezentrum der Polizei in Lüneburg gemeldet worden. Ein Polizeisprecher wollte diese Zahl nicht bestätigen. Beide Seiten meldeten mehrere Verletzte als Folge der Auseinandersetzung.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) erklärte die Deeskalationsstrategie der Polizei für gescheitert. Der Staat habe sich von den Atomkraftgegnern "peinlich vorführen lassen", sagte DPolG-Chef Rainer Wendt der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstagsausgabe). Es habe massenhaft ungeahndete Gesetzesverstöße gegeben. Wendt forderte für die Zukunft eine Null-Toleranz-Strategie.

Deutsche Castor-Gegner zollen Polizei Respekt

Die Castor-Gegner zollten der deutschen Polizei Anerkennung und zogen eine positive Bilanz ihrer Protestaktionen gezogen. Demonstrationen von 16.000 Menschen und viele "fantasievolle Aktionen" hätten gezeigt, dass der Widerstand gegen die Transporte "mächtig und kräftig wieder da" sei, sagte der Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, Gerhard Harder am Dienstagmorgen bei Gorleben. "Wir fordern mit dem Rückbau des Gorlebener Endlagerbergwerks zu beginnen", fügte er hinzu.

Für die Blockade-Initiative "X-tausendmal quer" sagte Jochen Stay, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel müssten jetzt einsehen, dass das Endlagerprojekt politisch nicht durchsetzbar sei.

Nach Angaben des Sanitätsdienstes der Castor-Gegner gab es trotz der großen Zahl der Demonstranten weitaus weniger verletzte Demonstranten als bei vorangegangenen Gorleben-Transporten. Etwa ein halbes Dutzend Demonstranten hätten im Krankenhaus behandelt werden müssen, sagte eine Sprecherin des Sanitätsdienstes. Unter anderem habe ein Demonstrant bei der Räumung der Sitzblockade vor dem Zwischenlager einen Armbruch erlitten. Nach einer Gleisblockade sei ein anderer wegen eines Jochbeinbruchs behandelt worden.

"Maßvoller Einsatz"

Die anwaltliche Vertretung der Aktivisten stellte der Polizei relativ gute Noten aus. Die Polizisten sei sehr lange ohne Pause im Einsatz gewesen, sagte die Rechtsanwältin Ulrike Donat. "Dennoch war es im Großen und Ganzen ein maßvoller Einsatz." Einige Beamte der Bundespolizei hätten Sitzblockierern bei der Räumung vor dem Zwischenlager Gorleben allerdings absichtlich Schmerzen zugefügt.

Der BI-Vorsitzende Harder distanzierte sich ausdrücklich von Steinwürfen, die es am Sonntagabend bei einer Gleisblockade gegeben hatte: "Wir brauchen keine Steinewerfer", sagte er. "Die Polizisten sind nicht unsere Feinde, auch sie sind zu weit mehr als 50 Prozent gegen die Atomkraft", fügte er hinzu. Die BI habe während der Protesttage zahlreiche unterstützende E-Mails von Polizeibeamten erhalten. (APA/AFP/Reuters)