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Benita Ferrero-Waldner, Außenkommissarin

Foto: APA/EPA/Waem

Priorität habe der Nahe Osten, sagte sie zu Michael Moravec.

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STANDARD: Welche Änderungen erwarten Sie sich in den transatlantischen Beziehungen durch Barack Obama?

Ferrero-Waldner: Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung. Die Wahl Obamas ist eine historische Wahl und Zäsur - zum ersten Mal ein Afroamerikaner, das ist sicher eine Sensation. Aber wir müssen im Auge behalten, dass der neue Präsident vorerst einmal die amerikanischen Interessen vertreten wird. Und er hat da enorm schwierige, große Fragen zu bewältigen, die auch eine globale Dimension haben - wie die Finanzkrise.
Und dann gibt es eine Reihe von außenpolitischen Themen, die aus amerikanischer Sicht sehr wichtig sind. Deshalb haben wir bei unserem außenpolitischen EU-Treffen vor einigen Tagen in Marseille diskutiert und festgelegt: Was wollen wir denn als Europäische Union? Wir wollen vor allem gemeinsam als EU auftreten und nicht immer nur als Einzelakteure. Wir wollen möglichst rasch mit der neuen US-Administration in Kontakt treten und wünschen uns, dass Obama auch recht bald nach Brüssel kommt, dem Sitz der EU-Institutionen.

STANDARD: Welche Bereiche in der Außenpolitik haben aus Sicht der EU-Kommission Priorität?

Ferrero-Waldner: Wir hoffen, dass von der Stunde eins an der Nahe Osten vom neuen Präsidenten und seinem Team ganz stark wahrgenommen wird. Ich bin jetzt am Wochenende in Sharm el-Sheik, wo noch einmal ein Quartett-Treffen mit der jetzigen US-Führung stattfinden wird. Die Bedingungen sind nicht einfach, denn in Israel wird es Neuwahlen geben, und auch die Palästinenser werden am 9. Jänner entscheiden, ob Präsident Abbas in Neuwahlen geht oder ob es zu einer Aussöhnungslösung mit der Hamas kommt. Eine wirkliche Übergangssituation also. Wir wollen das Momentum wahren, damit die neue amerikanische Administration gleich von Beginn an das Thema weitertragen kann.

STANDARD: Was könnte Obama besser oder anders machen als die Bush-Regierung?

Ferrero-Waldner: Ich glaube, es wird vor allem einmal eine Änderung im Ton sein. Das ist wichtig. Über die Ideen ist im Einzelnen noch nicht allzu viel bekannt. Aber eines können wir mit Sicherheit erwarten: dass ein viel stärkerer Multilateralismus stattfindet, dass wir viel mehr gemeinsam arbeiten werden. Und damit komme ich zum zweiten sehr wichtigen Themenbereich: Afghanistan/Pakistan - eine enorm unsichere und instabile Region. Wenn wir hier nicht gemeinsam viel stärker unsere Strategien und Vorstellungen abstimmen, dann werden wir nicht das erzielen, was wir wollen. Der dritte Punkt ist, dass wir als EU selbst in unserer Region, in unserer Nachbarschaft in der Georgienkrise Leadership gezeigt haben. In diesem Bereich der östlichen Partnerschaft haben wir etwas vorzuzeigen. Hier würden wir uns wünschen, dass von amerikanischer Seite Unterstützung für unsere Projekte kommt. Und das kann natürlich in weiterer Folge bedeuten, dass es zu einer stärkeren Verteilung der Lasten etwa in Afghanistan oder im Irak kommt. Das heißt, dass die EU mehr gefordert wird. Dem müssen wir uns stellen, wenn es soweit ist.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die jüngsten Ankündigungen Russlands, in Kaliningrad Raketen aufzustellen?

Ferrero-Waldner: Ich habe im Detail noch nicht alles gesehen, aber eines kann ich schon sagen: Diese Maßnahme wird leider ganz sicher nicht die Stabilität in Europa verbessern.  (DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2008)